MEIN BLOG
...warum ich das mach(t)e:
Ein Tagebuch aus dem Leben mit CORONA.
Der Anlass war, die Covid 19 Infektion meines Sohnes im März 2020. Er war der 2.Fall in unserem Landkreis.
Die Symptome beschränkten sich auf Kopfschmerzen, Temperatur und Gelenkschmerzen.
So begann die Dokumentation...
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Ohne Föhnen und Legen bitte
„Schahatz? Willst du noch duschen?“
„Nein danke! Ich war grad Auto waschen!“
Ich finde es eine Schwäche und Geldverschwendung obendrein in eine automatische Waschanlage zu fahren.
Diese dreckigen Lappen, die völlig belanglos über die Karre peitschen, das hat meine nicht verdient!
Eine SB-Wäsche ist schnell, günstig und ich weiß genau, was ich mache.
Mit diesen Gedanken konnte ich mir heute in der Früh sogar einen SB Platz aussuchen!
Sonst stehen da immer Autos.
Ich begann mit der Wagenpflege und keine Minute später, musste ich meine Brille absetzen, weil die besonders Spritzer anfällig war.
Dass das der Beginn eines blinden Unterfangens war, konnte ich ja nicht wissen.
Dieser Hebel, der unter Druck gut festzuhalten war, hat ganz schön wehgetan in der Hand.
Mir fiel ein, dass diese Zapfpistolen an der Tanke doch auch immer so ein kleines Ding haben um den Auslöser festzustellen und sah nach.
Tatsächlich ein roter Hebel am Griff! Ich stellte diesen um und konnte aber nicht mehr den Bügel drücken.
Es war also eher eine Sicherung als eine Arretierhilfe. Ich klickte den Hebel wieder zurück und er klemmte.
Achtung! Ich hatte keine Brille auf! Das ist keine Entschuldigung, aber vielleicht rettet diese Tatsache mein Ansehen.
Wie in einem Cartoon drückte ich und weil ich so schlecht einsah, dreht ich auch den Schlauch. Genau. Es löste sich, und durch den Druck des Wassers spritze eine Fontäne hoch über mich Richtung Waschanlagendach und ergoss sich-- wie in der Coca Cola Werbung aus den 90 ern -
über mich.
Ich tropfte.
Auf keinen Fall. Das lasse ich nicht zu. Ich werde mich nicht zum Gespött dieser widerspenstigen Waschanlage machen lassen.
Ich warf noch mehr Geld ein und drückte noch motivierter den Knopf, der mir am meisten zusagte und wusch mein Auto auf einem Level, dass die nächste Schicht, die sich lösen würde,
der Lack wäre.
Nach einiger Zeit bereute ich den Entschluss, nicht in eine automatische Waschanlage gefahren zu sein. Ich wollte dem ganzen ein Ende setzen und gönnte der Taste „Perlglanzwachsschaum“(so der Name in meiner Erinnerung) ihre volle Vitalität.
Ein riesiger Schaumberg belegte das Auto, das mich ansah, als würde es gleich rasiert werden.
7 Minuten später saß ich erschöpft im Auto, die Jeans wies deutliche Spuren von Inkontinenz auf und ich wusste, das, mach ich erstmal nicht mehr.
Als ich dann meinen Erfolg präsentierte, sagte mein Mann:
„Aber heute kommt doch der Saharastaub!“
„Nein, Kinder. Ihr könnt heute nicht in Eurem Zimmer schlafen, da parkt mein Auto!“
Krieg in Europa
Was soll jetzt auf meine Brötchenhälfte geschmiert werden? „ Hast du Deine Schlüssel?“ rufe ich.
Im Fernsehen laufen die Berichte, das Brötchen bleibt ungeschmiert.
Wozu noch die Marmelade aufschrauben?
In Europa ist Krieg.
Ich sehe aus dem Fenster, Mann mit Hund geht gassi…wozu?
In Europa ist Krieg.
Ein Schulungszoom-Meeting für ein neues Programm, ja, „und dann kann man alle einladen und benachrichtigen“
…aber in Europa ist Krieg.
Der Kater frisst nicht und schläft viel, das passt zu diesem Tag.
Eine bestandene Karateprüfung, zur Belohnung Waffeln essen gehen…aber in Europa ist Krieg.
Bald bekommen wir eine schöne Veranda, die habe ich mir schon immer gewünscht, aber in Europa ist Krieg.
Zum ersten Mal in meinem Leben gibt es diesen Tag. Der Beginn vom Krieg.
Der gehört in Geschichtsbücher bitteschön, der gehört erzählt und vor allem in die Vergangenheit.
Haben die Menschen schon so gelitten unter all den Kriegen dieser Welt.
Ja, Kinder, heute dürft ihr lange Fernsehen, von mir aus Taschengelderhöhung um 300 Prozent.
Habe ich mich gestern über einen Mitarbeiter in einer Telefon-Hotline beschwert? In Europa ist Krieg!
Den ganzen Tag habe ich das Gefühl, ich müsse meinen Menschen von dieser grausamen Sache erzählen,
so wie man es macht, wenn einem was krasses passiert ist.
Aber JEDER weiß es.
In Europa ist Krieg.
Sehnsuchtsort
Wer auf der Suche nach dem Glück, nach dem Weg fragt, ist selber schuld.
Ich werde 40, immerhin und habe eine Einsicht.
Es bringt nichts.
Genau, es bringt nichts, sich sagen zu lassen wie das mit diesem Glück endlich mal funktioniert.
Wie man es wiederbekommt, überhaupt mal erobert oder es nur ein einziges Mal kurz erlebt.
Je mehr man es möchte, desto schneller tarnt es sich und huscht vor einem weg, bevor man es mit seinen Netzen des überzeugten Willens fangen wollte.
Wie verhängnisvoll diese ganzen Ratgeber, diese vielen Imperative: tu dies, tu das, Work-Life-Balance hier oder geh´ den Jacobsweg da, trenn´ dich, iss´ was anderes, hör´ auf diese Stimme, auf jene. Am Besten machst Du ein Wochenend-Glücksworkshop, achte auf dieses und nicht zu sehr auf jenes.
Der Glaube, dass man das Glück besitzen kann, dass es einen ständig umgibt, wenn man sich nur richtig Mühe gibt, ist der ernüchterndste Hoffnungstod.
Glück ist, das, was dazwischen liegt, der Zufall, der Einfall, die Lust, das Gestalten.
Dem Leben nicht Herr sein, nicht alles planen können.
Wir stehen echt jeden Morgen auf und sind uns sicher, also heute sterbe ich auf keinen Fall.
Morgen und übernächste Woche auch nicht.
Und weil wir da eine permanente, vermeintliche Sicherheit haben, planen wir was das Zeug hält.
Häuser, Babys, Erfolge, Hochzeiten, Umzüge, Auswanderungen, Neustarts, manche sogar Sex. Alles unter dem Deckmantel des sicheren Glücks.
Wenn das und das ist, dann…ja, dann ist alles schön. Dann werde ich glücklich!
Tatsächlich ist es doch aber so und das ist meine bereits erwähnte Erleuchtung; dass, wenn wir nicht danach eifern, können wir aus den Momenten, in denen wir erfüllt werden, in den Himmel sehen, unseren Freunden zuhören, Jemandem nahe sind, oder mit den Kindern lachen, so viel nehmen.
Das ist Zufriedenheit.
Viel erstrebenswerter, meiner Meinung nach.
Manche verwechseln das gern mit GLÜCK, was ist denn das genau?
Ist Glück nicht ein Moment, eine kurze Frequenz? Eine Phase?
Etwas, das daraus besteht, dass es wieder geht? Vergänglich ist?
Wenn man das akzeptiert und mehr Platz für „Misserfolge“, Missverständnisse und Missgeschicke einräumt, wird man vielleicht weniger enttäuscht.
Sich einlassen auf Umstände, mal ein Schritt zurücktreten, durchatmen und vertrauen. Aushalten, dass es nicht immer einen definierten Zustand gibt, geduldig sein und sich an schöne Momente erinnern, wenn die Schlange an der Kasse mal zu lang ist.
Es gibt keine Gutschrift. Keine Lebenszeit, die wir aufsparen können, die dann zum gewünschten Zeitpunkt mit Zinsen am besten noch, an uns ausgezahlt wird.
Wo wir uns jetzt befinden, müsste der Ort unserer Wahl sein, was wir als nächstes trinken auch und mit wem wir leben, sollte mehr geben, als es kostet.
Dann spinnt sich von allein ein Netz der Zufriedenheit, die Kraft für vieles Anstrengende gibt.
Jetzt hier, zwischen diesen Zeilen, liegt auch Deine Lebenszeit. Und meine. Wie schön.
Beim nächsten Blick in weiße oder graue Wolken, denkst Du an das hier und, dass das JETZT die Investition in die Erinnerungen für später ist.
Wie schön.
Frau Müllerin
(ein Text aus dem Sommer 2020)
Da lag ich nun in Zimmer 1018 mit Roggenmehl in den Haaren.
Meine Schwester war’s, die mir mit wehendem, frischen Haar von einer neuen Haarkur erzählte, die super für die Haare sei.
Ja, sie würden gereinigt, gestärkt und nicht so schnell strähnig.
Gleich am nächsten Tag kaufte ich mir Roggenmehl und begann mir eine Pampe aus dem selbigen und Wasser anzurühren um mir das auf meinem Kopf zu verteilen, einwirken zu lassen und später auszuspülen.
Nachdem ich Krämpfe in den Armen bekam, weil die Ausspülsession so lange dauerte, empfand ich mich als fertig.
Die Haare trockneten normal gut und ich fühlte mich mindestens so gut wie ein Brot.
Dann passierte an diesem Tag das Leben.
Ich musste spontan ins Krankenhaus um mich sofort operativ behandeln zu lassen.
Das hatte ich zum einen nicht vor und zum anderen nicht gern.
Mit Sack und Pack wurde ich eingeliefert und voruntersucht. Wann ich das letzte Mal was gegessen hätte…fragte man mich.
Sagte ich jetzt die Wahrheit und musste bis zum Abend warten? Oder ließ ich 2 Stündchen unter den Arzttisch fallen und erstickte dann beim Aufwachen an meinem Erbrochenen, weil ich gelogen hatte?
Ich entschied mich für ein Zwischending in Kombination mit nem Hundeblick, die Ärztin schien zu verstehen.
Ich kam auf ein Zweibettzimmer und legte mich unter Schmerzen in das noch freie Bett.
Im anderen lag eine scheinbar schon operierte Dame, die auf ihrem Tablet etwas guckte.
Stille. Schmerz. Ich lag nun da so rum und dachte nach.
Ich kratzte mich hinterm Ohr. Es rieselte. Rieseln? Von meinem Ohr? Ich tastete mit dem Finger hinter mein Ohr und entdeckte Restbestände meiner Roggenkur. Hinter dem anderen Ohr auch. Es wurden immer mehr Stellen, die ich aufspürte und konnte mir lebhaft vorstellen, wie das OP Team über meine Schuppen lachte. Sie würden vor Häme von ihrer eigentlichen Aufgabe abgelenkt und dann mir ein Bein abnehmen oder zwei oder oder…
Da lag ich nun, im OP Hemd, mit Herzklopfen und dem Ertrag eines Müllers aufm Kopf.
Ein paar Stunden später befand ich mich im Aufwachraum, wo auch die warteten, die gleich in den OP kamen.
Aber wie der Name es schon beschreibt lagen da vor allem Leute, die von ihrer Narkose erwachten.
Da wurde einem so ziemlich alles geboten. Geschrei, Gestöhne, Geweine, Gefluche.
Ich lag in der Poleposition mit meinem Bett und um Zeit und Schmerz (und Sauerstoffmangel wegen der Maske) zu vergessen, beobachte ich meine Umgebung.
Aha, nach dem Feierabend wollte Schwester Susi zum Volleyball, aber alle Karten waren ausverkauft.
Ein etwas lauter Bursche in OP Kluft betrat die Bühne, er redete mit lauter aber sehr beeindruckender, baritoner Stimme mit einem Patienten.
Alles sei gut verlaufen, obwohl aufwändige Behandlung und der Patient solle langsam wachbleiben.
Er kam zu mir rüber und stellte sich als der Narkosearzt vor.
Mein erster Gedanke war, seit wieviel Stunden er schon auf den Beinen sein mochte…er sah sehr müde aus.
Ich füllet mit ihm ein paar Zettel aus, die ich alle nicht lesen konnte, weil ich ja meine Brille im Zimmer lassen sollte…
Ich wartete weiter.
Die Luft wurde immer knapper, mein Kreislauf instabiler und mittlerweile war ich tatsächlich nüchtern ohne Essen.
Mein Narkosearzt ging in die Küche, in die ich vollen Einblick hatte, er öffnete den Kühlschrank und redet mit den essenden, am Tisch sitzenden Schwestern.
Sie nannten ihn Thomas und Thomas meinte, dass man sich schon im alten Rom hauptsächlich in der Küche versammelt habe…die Tür immer noch in seiner Hand, er nahm etwas raus, beäugte es, legte es wieder rein.
Ich dachte nur, „bitte nimm was! Nimm was Thomas! Du musst fit sein, wenn mit mir was ist!“
Es vergingen bestimmt 2 Minuten….bis er eine Tafel Schokolade nahm, sich ein paar Stück abbrach und in den Mund steckte.
Schoki, nagut. Macht zuerst wach wegen Zucker und später erst müde. Kann ich bitte gleich rankommen?
Das Licht war grell und ich stellte fest auf welchem Level man sich da so nackt und ausgeliefert auf Hüfthöhe der herumspringenden Menschen befindet.
Es war seltsam.
Der wachwerdende Patient hatte Hunger und fragte nach etwas zu Essen, die Schwestern könnten ihm nur etwas zum Trinken geben, baten ihm aber ein Wassereis an. Dieses wurde dann mit schnellen, quietschenden KrankenhausGummischuhen kredenzt.
Der Patient begann zu lutschen und freut sich anscheinen sehr darüber.
Am Anfang fühlte ich voll mit. „hmmmmm“ sagt er, „ohhhhh“, bei jedem Schleck wurde er energischer und plötzlich befand ich mich in Mitten eines Erotik Hörspiels von 1978. Mein Mitgefühl schlug in Ekel um und ich versuchte mich auf anderes zu konzentrieren.
Der nächste Darsteller betrat, äh, stampfte in den Raum.
Er war riesig und rund und laut. Er hatte große Hände und wirkte aus meiner Froschperspektive wie ein Dinosaurier. Er war aber auch lustig, als das Personal sich über sein Erscheinen wunderte, sagt er:“ Naja, es wurde nach einer netten Schwester gerufen, da habe ich mich gemeldet“!
Guter Dino…weiter so.
Er wackelte mit den Beinen und rutschte beim Reden in seinen Gummischuhen hin und her, es schien ein Tic zu sein.
Was für ein nervöser und lauter Typ, dachte ich.
Nach 10 Minuten Witzereißen verließ er wieder die Tanzfläche.
Als ich 2 Stunden da rumlag, wurde mir gesagt, dass es bald losginge und mich gleich der Frank abhole.
Ich betete nur noch meiner Erlösung entgegen und dachte daran, dass ich immer Glück hatte mit Menschen, die mir nahe gekommen waren.
Immer liebes Pflegepersonal und tolle Ärzte gehabt hatte. Da wird sich doch der Frank sicher mit einreihen.
Dann dauerte es doch noch etwas, mir wurde immer schwummriger.
Mir näherte sich Jemand, ich dachte „Frank!, mein Erlöser! "und mit meiner Akte in der Hand sagte der Dino zu mir:“ Dann wollen wir mal!“
Alles wurde gut , ich erzählte ihm von meiner missglückten Haarwäsche und Dino Frank lachte sich kaputt.
Die OP verlief super, aufgewacht bin ich auch wieder und das ganz ohne Erbrechen.
Obwohl die letzt Frage von Frank vor der Narkose war:" Welcher Arzt mich jetzt nochmal operieren sollte?", fand ich das eher lustig und verabschiedete mich mit:
„Solange der Hausmeister gut nähen könne, wäre mir egal wer das macht.“
Die Mehlkur hatte ich seitdem nicht mehr wiederholt.
Die Filmpremiere
Gestern war ich mit meiner Freundin zu einer Filmpremiere einer bekannten Journalistin eingeladen.
Es war ein kleiner Kreis, nur Familie und Freunde. Und ich.
Ich war lange nicht aus und freute mich sehr mit meiner lieben Freundin und anderen netten Menschen einen Abend zu verbringen.
Dass es dann doch knapp wurde, ich mir während der Fahrt im Auto die Nägel lackierte, natürlich in eine Demo geriet und schonmal durchgeschwitzt war für diesen Abend, war fast egal.
Mehr machten mir sehr viele kleine weiße Kügelchen zu schaffen, die an mir klebten von oben bis unten und einfach nicht loslassen wollte.
Es war nämlich so:
2 Stunden vorher, war ich mit meinem Mann im Baumarkt. Wir kauften Rohre für eine Wasserleitung. Als ich diese von der Kasse zum Auto trug, steckte ich meine beiden Arme hinein und sagte laut, herumfuchtelnd: „Der Orthopäde hätte sich doch etwas mehr Mühe geben können!“
Als ich dann im Auto saß, entdeckte ich Fusseln auf mir, ich pustete, aber nichts geschah. Aus einem Fussel wurden zwei, drei, fünfzig, hunderte, ich hatte diese verdammten Dinger überall!!! Durch elektrostatische Ladung schienen sie sich an mir festgebissen zu haben. Jedes Fuchteln, Wischen und Pusten brachte rein gar nichts. EGAL. Ich wollte mich zu Hause eh noch umziehen.
Eine Stunde später…ich entschied mich für ein solides, schwarzes Outfit, das zu jedem Anlass passen würde.
Die Zeit wurde knapper und mit schneller Verabschiedung und gedrehten Löckchen schwang ich zu erst meinen ebenso schwarzen Mantel und dann mich ins Auto und brauste nach Berlin.
Ca 5 Minuten später, fand ich mich wieder inmitten dieser weißen Polyestertyrannen und mir war klar, dass sie nur auf mich gelauert hatten, um mir den Abend zu versauen. Das Material meiner Hose, schien dem der Plastikmonster zu entsprechen, sie erkannten einander und nahmen sich vor, sich nie wieder gehen zu lassen.
Es war aussichtslos. Ich akzeptierte die weiße Plage.
Treffpunkt war ein altes Kino, wir waren fast die ersten und wurden eingelassen. Die Protagonistin war bereits da und begrüßte uns herzlich.
Es war etwas absurd, da sich uns in den folgenden Minuten immer mehr Leute vorstellten, die ich ja bereits kannte, da es Musiker, Schauspieler oder Politiker waren, die mir alle vertraut waren und ich es so albern fand, dass die mir echt alle ihren Namen nannten.
Wir nahmen Platz und ich war gebettet zwischen einem mir allzu vertrauten Wahlplakat und einem sehr sympathischen Musiker.
Der Film begann. Lustiger Anfang, authentisch und nahbar. Ernste Mitte, traurig, wieder lustig, toll.
Begeisterung für diese Frau geteilt mit Betroffenheit und Sorge um die Menge der Last, die diese Person zu tragen schien.
Kamera und Team konnten, hatte ich den Eindruck, von innen heraus Filmen. Aus diesem Menschen.
Beeindruckt und mit feuchten Augen wurde beim Abspann geklatscht und auf die Bitte, dass sich alle noch in eine Bar begeben um dort angeblich zu lachen, zu tanzen und zu küssen, starteten wir einen Spaziergang durch Berlin. Mit diesem sehr netten Musiker zu dritt durch Berlins gefährlichsten Park gelaufen, am Späti gehalten und geredet.
Dass wir lebend aus diesem Park kamen, hat mich sehr fröhlich gestimmt.
Wir liefen und plauderten und lachten, landeten schließlich vor der Bar.
Alle anderen waren schon dort und standen bei Getränk und Tapas herum.
Bisher tanzte und knutsche Niemand, aber was noch nicht war, konnte ja noch werden…
Wir futterten uns durch den Abend und lernten Menschen kennen. Viele Gespräche, gelacht habe ich auch. Nur war kein Platz zum tanzen und schon gar keine Option zum küssen da. Die saß ja zu Hause.
Die Zeit lief dahin, die Themen begannen sich zu wiederholen. „Und? Woher kennst du sie?“ Oder „Kommt ihr aus Berlin?“ Und natürlich, „ach, DU hast drei Kinder?“ , „Und wo sind die jetzt?“ Als würde es nicht auf der Hand liegen, wenn ich nicht bei meinen Kinder wäre, liefe die Sanduhr der Verwahrlosung und das Jugendamt müsse sich dann einschalten.
Wunderte mich nicht, dass diese Frage keine Frau gestellt hatte.
Irgendwann bewegte man sich, durch etwas stark alkoholisierte Gesprächspartner dann aber doch nur auf den Oberflächen des Lebens.
Ein kurzer Blick zwischen Freundin und mir und man war sich einig, dass wir uns auf den Heimweg begeben würden.
Vor der Bar von unserer Gastgeberin verabschiedet, man versprach sich ein baldiges Wiedersehen.
So lange nicht auf einer Party, Veranstaltung gewesen, in Berlin, ohne Familie, das muss man dann auch mal richtig auskosten. Zeit spielt da keine Rolle. Trotzdem war ich noch überraschend munter und fit.
Leicht gestimmt mit vielen Eindrücken versorgt und mit Apfelschorle im Bauch schlenderten wir in der Dunkelheit badend durch Berlin zu unseren Autos.
Ich sagte: „Hach, toll, das war echt schön. Ob es schon Mitternacht ist?“
Ich holte mein Handy vor und las:
19:36.
Schablonen
Brüste aus Plastik,
Gift unter der Haut.
Alle sollten sich ähnlich sein,
ein Leben in Schablonen.
Als dass mal jeder Schwächen stärkt und sich besinnt auf Fähigkeiten,
wird nur berichtigt und korrigiert,
alle Fehler rot markiert.
Niemand soll hampeln oder zappeln.
Aus der Reihe tanzen, überfliegen,
es seid denn es wird angesagt.
Obwohl wir aber so verschieden.
Wo kommt denn unser Reichtum her?
Doch sicher auch vom Ungleichsein.
Nur so entsteht Lebendigkeit, nur so ein
liebender, freier Mensch allein.
Wird uns schon früh beigebracht,
dass wir alle gleich sein sollen.
Ob das auch mal schmerzhaft ist,
und wir es vielleicht nicht wollen.
Um keinen Preis wird unterstützt
ein vielseitiges Wesen zu sein,
denn die Schulen um uns herum
stecken alles in den einheitlichen Schein.
Tag 1.0
jährlich grüßt das Murmeltier
Der Schnelltest (Kind) war positiv, wir konnten es nicht glauben, sicher ein Fehler…nach zwei weiteren setzte sich diese Kette in Gang. Oh Gott, wo waren wir? was ist morgen? was müssen wir? Was ist wenn…? Krankheit, Schule, Arbeit, Termine, Oma´s 86. Geburtstag! HILFEEEEE!
Dem Kind selbst war gesundheitlich nichts anzumerken (keine Symptome, das war das größte Glück natürlich!!!), aber Gedanken machte es sich schon.
Schließlich fielen sämtliche Maßnahmen der letzten 1, 5 Jahre, die auch Kinder erlebten und mittrugen, auf das große unbekannte Monster zurück: CORONA.
Jeder Erwachsene warnte davor, ermahnte noch besser Hände zu waschen und lieber nicht mit zum Einkaufen zu gehen.
Aber so ein Monster gehörte nicht auf die Schultern eines Kindes. Das nahmen wir ihm gern ab. Einfach unbeschadet sollte es da durchkommen.
Wir sind gut und sicher damit umgegangen, sah ich jetzt mit Abstand.
Zum Glück hatten wir eine tolle Ärztin, die sich sofort kümmerte und leider den Befund bestätigte.
Tausend Telefonate und noch mehr Nachrichten brachten mein Telefon zum Glühen, mein Gehirn und meine Nerven auch.
Am 4. Tag war alles ätzend, Kinder, Eltern, alle in einem Haus, Unordnung, ständig hatte einer Hunger, alle waren gesund und turnten herum, bis was runterfiel, es wurde gestritten, es war da, als wäre es nur kurz im Urlaub gewesen.
Das Virusangst-Homeschooling-Homeoffice-Lagerkoller-Schreckgespenst.
Und da fand ich mich wieder.
Am Herd, an der Waschmaschine, Haare schneidend, Schule machend, ich hörte mich Kinder bemeckernd, oder ich stand mit dem Auto heulend im Wald.
Das mit dem Wald war echt lustig.
Ich musste mal aus dem Haus, war auch die einzige, die das zur Zeit durfte. Ich musste einfach weg. Alles war viel. Alles war wieder da, obwohl es doch auch anders war.
Ich setzte mich ins Auto und heulte los, ist echt kacke beim fahren und dann auch noch mit Brille, naja, ich suchte mir den einsamsten Weg der Umgebung um irgendwo im Wald zu halten und mich zu sammeln.
Mit roten Flecken an den Augen und verschmierter Brille, entschied ich mich für eine einsame Waldeinfahrt, die ich noch nie nahm.
Ich kannte einen ehemaligen Erzieher meines Kindes, der im angrenzenden Ort wohnte und wollte erstrecht keinem begegnen, der mich auch noch kannte.
Mit sich selbst zu sein und sich mal durch den aktuellen Schnodder ziehen mit einer Portion Selbstmitleid, Reflexion und Wut, das tut ja auch mal gut.
Ich bremste, hielt, öffnete die Fenster und flennte die herrlich zwitschernden Vögel an. Sogar ein Eichhörnchen sprang vorm Auto herum.
Ein heilendes Telefonat, viel frische Luft und 10 Minuten später hielt ein Auto auf meiner Höhe.
„Hey Luise!“
Es war selbstverständlich der ehemalige Erzieher, der dachte, ich hätte eine Panne. War ja auch richtig, aber ich halt, nicht das Auto.
Hoffentlich entnahm er meiner schnellen Abwehr nichts Böses und hatte vielleicht etwas Mitleid, weil ich da so aus dem Auto sah mit meiner Säufernase und einem roten gepixelten Gesicht.
Nach diesem Tag wurde es besser. Für ungefähr 4 Stunden, denn dann gab es den zweite positiven Test in der Familie. Mit „umgänglichen“ Symptomen.
Das war echt n großer Mist.
Also Onewomanshow und weiter…das schaffen wir wohl auch noch!
Aber ganz plötzlich ist sie wieder da, diese Sehnsucht sich frei bewegen zu dürfen, uneingeschränkt und hemmungslos.
Die Sorge, dass Jemand zu Schaden kommt, sich noch mehr anstecken.
Wenn man sich dann aber ordnet, die ersten Wutanfälle bereinigt sind und man sich nur noch darum kümmert, dass wir da gut durchkommen, dann geht es auch besser.
Wir sind n gutes Team und zum Glück finden wir viele Momente, in denen wir uns alle lieb haben und uns das auch sagen.
Also Leute, wenn ihr mich das nächste mal im Wald seht, dann einfach diskret vorbeifahren!
Danke!
Tag 100
Einkaufen
Wenn ich einkaufen gehe, das gehört nicht zu meinen Lieblingstätigkeiten, dann versuche ich es kurz und schmerzlos über die Supermarktbühne zu bringen. Ich möchte keinesfalls abstreiten, dass man mir das währenddessen eventuell anmerkt.
Handtasche nehme ich nie mit, nur Handy und Geld.
Aus dem Auto gestiegen, Einkaufswagen geholt, steckte ich das Handy in meinen Hosenbund (keine Hosentaschen), damit ich jederzeit den Einkaufszettel überblicken kann.
Mit dem Gefühl, der Profi Apnoetaucher hätte mir gesagt, ich müsse mich schon beeilen, die Luft wird nicht lange reichen, versuche ich mit Maske und anlaufender Brille zielsicher meine Produkte zu finden.
Die Brille beruhigt sich, ich mich auch und beim Käse finde ich alles nur noch halb so schlimm.
Liste gecheckt, ob ich alles habe, älteres Ehepaar mit originellem Mundschutzsitz mit Abstand an mir vorbeigelassen, der hektisch auf mich zuschießenden Mitarbeiterin des Supermarktes mit neuer Ware ausgewichen (ein Wunder, dass dabei noch Niemand verletzt wurde), mich fast an der Stiege Milch verhoben und auf zur Kasse.
Handy wieder zurück und in die Schlange gestellt.
Es war eine lange, lange Schlange und alle Kassen waren belegt, es war bemerkenswert voll.
Kurz vorm Einnicken, aufgrund mangelnden Sauerstoffs und mit leichtem Pfeiffen auf den Ohren bin ich dran meine Ware aufs Band zu, ich möchte sagen, zu dekorieren.
Ich gebe mir da besonders Mühe.
Zum einen achte ich ich darauf, dass sich Artikel nicht gegenseitig behindern, das Abscannen leichter wird, dass die schweren Sachen vorn sind, damit sie in der Tüte unten landen, dass nichts umfallen kann und ich mich beeile, damit der hufescharrende Mensch hinter mir endlich auch ans Band kann.
Soweit so gut.
Offensichtlich sollte meine Planung mir beweisen, dass ich sie nicht sorgfältig gemacht haben, oder es war Vollmond.
Jedenfalls war die Kassiererin auf Speed, musste dringend aus Klo, oder wollte es mir so richtig zeigen. Der Scanner piepste nicht immer mal, eigentlich war es ein einziger langer Ton, ich kam kaum hinterher die Sachen vom Band zu nehmen und der Schweiß trat mir auf meine Stirn. Eine Gurke verließ ihre Position und fiel herunter. Als ich mich vom Aufheben wieder aufrichtete, merkt ich, dass sich was an meiner Hose bewegte, besser gesagt etwas kaltes sich an meinem Oberschenkel seinen Weg bahnte. Nein, es war keine Blasenschwäche.
Ich sage Euch, die Leute wurden ungeduldig weil ich parallel auf Paybackfragen antworten, meine Sachen in den Wagen räumen und auch noch bezahlen musst und mein beklopptes Handy rutschte mir gradewegs in die Hose.
Es kam bis zu meinem Knie und ich begriff, dass es zu tief war, um mir von oben in die Hose zu greifen und es war zu weit oben, um es untenlang rauszuschütteln.
Da ich enge Hosen trug, blieb mein Handy vorerst dort und verharrte geduldig an meinem Bein. Ich zahlte und räumte weiter weg und wusste nicht recht ob es Jemand gemerkt hat.
Ich schließ meinen Einkauf ab und lief mit Wagen und vorsichtigem Cowboyschritt zur Seite.
Als ich an der Hose zog um von oben mein Handy zu angeln rutscht es noch eine Etage tiefer und saß nunmal Schienbein.
Damit ich mich nicht zu sehr entblößte beließ ich es dabei und ging entschlossenen Schrittes in Richtung Ausgang.
Wenn ich Euch jetzt sage, dass es klingelte, als ich zum Parkplatz lief (weil ich wieder Empfang hatte) und ich schwöre, dass mein Klingelton die Aufnahme meines Mannes ist, in der er wie ein Rockstar schreit, (oder eher wie ein Schaf) „lalalala“, dann glaubt mir das kein Mensch.
Habt also etwas Geduld, wenn ich nicht gleich ran gehe, wer weiß wo mir das handy steckt.
Tag 99
Für Dich
Wen ich mein´, wenn ich hier schreibe,
oder allgemein nur bleibe.
Wer sich gemeint fühlt, kann es tun,
vielleicht mein´ ich dich! Was fühlst du nun?
Sind das nicht die wahren Schätze?
Die immer im Herzen bleibenden Sätze?
In einem Film, aus einem Buch,
mal eine Erleuchtung und mal ein Fluch.
Unter unserer Haut, immer da,
wir denken daran und erkennen wie wahr.
Denn nur die uns bleibenden Strophen,
finden unsere inneren Philosophen.
So steuern wir durch unsere Welt,
versuchen zu halten, was uns auch hält.
Hier liest du nun, ich sehe dein Gesicht.
Du stockst, wen meint sie-mich sicher nicht!
Doch doch, es sind wir beide nur,
die diesen Worten folgen, ganz in Ruhe.
Du denkst noch immer, ich mein´ nicht dich,
aber genau über Dich hier freu ich mich.
Du nimmst dir Zeit für meine Gedanken,
dafür muss ich mich bedanken.
Ich bin wie Du? Bist du wie ich?
Egal, denn ich verstehe dich.
Am Ende unser aller Lebens,
hofft doch jeder nicht vergebens?
Unsere Spuren zu hinterlassen,
wodurch wir hoffen, nie zu verblassen.
Wir sind auf uns dann reduziert,
wer nicht verliert, wer nicht verliert?
Ist dann der, der alles gegeben,
um sich richtig auszuleben.
Merk Dir das, du tust alles für dich.
Ich bin es nicht, ich bin es nicht.
Tag 98
Office Management
Es ist ja so, es gibt schon ein paar Dinge in unserem Haushalt, die eher typisch Mann und eher Typisch Frau sind, diese sind allerdings auf freiwilliger Basis aufgeteilt worden.
Ich finde es völlig ok, dass mein Mann nicht Geschenke einpacken muss mit Bändern und Schleifchen, denn danach könnte ich ihn direkt zu einem Therapeuten bringen, der dieses Trauma mit ihm aufarbeiten müsste.
Und ich? Ey, wenn die Toilettenspülung defekt ist, gebe ich diese Situation gern an den Gatten ab.
Es gibt aber auch ein paar Bereiche, die sind sozusagen unisex.
Unser Drucker ist seit einigen Wochen defekt, er druckt gar nicht, oder leicht rosa.
Mein Mann hat ihn bereits einer Reinigung unterzogen und auch neue Druckerpatronen gekauft. Diese sind allerdings nicht der Druckermarke entsprechend, daher meine jüngste Vermutung, es muss an den Patronen liegen.
Weil ich mir aber unsicher bin, habe ich diese Thematik wiederholt platziert. „Mann“ müsse sich nochmal darum kümmern.
Die Zeit zog ins Land und es kam ein kleines Paket, mein Mann öffnete es und zog eine einzelne Druckerpatrone heraus und legte diese in die Küche.
Später allein zu Hause, packte mich der Macher-Drang und nachdem ich schon erfolgreich einen Schrank gestrichen hatte, räumte ich ein bisschen auf und fand mich vor der daliegenden Patrone wieder.
Tja, die könnte ich doch schon einsetzen, dann muss es mein Mann nicht machen und es kann wieder etwas abgehakt werden.
Warum er allerdings nur eine einzige bestellt hatte, leuchtet mir nicht ein. Ich entdeckte aber einen rötlichen Strich an der Seite und ahnte, dass vermutlich nur die magentafarbene Patrone auszutauschen ist.
Ich ging mit ihr ins Obergeschoss und schaltete den Drucker an, ja bla bla Menü…ja weiter, Patrone austauschen, ja genau.
Der Drucker fuhr die Patronenladung aus und ich starrte darauf.
Hm, also jetzt mal ohne fachbasiertes Wissen würde ich behaupten, die neue Patrone ist viel größer als die anderen.
Ich löste eine alte und hielt sie an die neue. Häh?
Das passt niemals und wo ist diese Stelle, wo man immer dieses kleine Plastikplättchen lösen muss? Und ich höre beim Schütteln auch nicht die schwappernde Flüssigkeit.
Also, dass mir das mal passiert, dass mein Liebster auch mal was Falsches bestellt! Ha!
Schmier´ich ihm heute gleich mal aufs Abendbrot!
Ich lach mich kaputt.
Ich mache alles rückgängig und schließe den Drucker.
Bevor ich das Haus verlassen wollte, räumte ich aber noch weiter auf. Inklusive meiner Malersachen vom Schrank.
Als ich so im Hauswirtschaftsraum herumräume und ordne bleibe ich stehen.
Es trifft mich wie ein Schlag.
Ein Gedanke, nur eine Vermutung.
Ich bin in diesem Moment leider allein und kann dieses Gefühl kaum beschreiben.
Es ist eine Mischung aus Entsetzen, Verachtung und etwas Mitleid.
Ich renne in die Küche, hole die neue Druckerpatrone, renne zurück in den Hauswirtschftsraum und öffne unseren Sicherungskasten.
Tatsächlich! Dutzende „rote Druckerpatronen“ sehen mich an, halten sich die Bäuche und lachen im Chor!
Es schließt sich der Kreis, wow, ich scheine meine eine Gehirnzelle wieder aktiviert zu haben:
Mein Mann wollte doch fürs Gästebad die Sicherung austauschen, weil die vorhandene nicht leistungsstark genug ist.
Nö, das kann jedem mal passieren, das ist nicht schlimm.
Tag 97
Nähkästchen
Achtung, dieser Beitrag zeigt eine sehr sehr und auch sehr, sagte ich schon sehr? Eine sehr private Situation.
Trommelwirbel bitte. Trrrrrrr, danke.
Also, es war so.
Ich lag in der Badewanne…ja, ich gebe es zu, ich wasche mich. Sogar regelmäßig. Fast täglich.
Auch wenn ich nun die Hälfte meiner Leser enttäuscht oder verschreckt habe, bitte ich um Nachsicht.
Wir sind hier jeden Tag zu 5. in einem Haus. Gestank würde dann nicht nur mich betreffen, sondern auch Unschuldige und…ich schweife ab..
Also, ich lag in der Badewanne. Die Waschmaschine steht direkt am Bug, also am Fussende. Und sie lief.
Mein Kater nutzt des Öfteren diese Gelegenheit mal allein mit mir zu sein und gemeinsam zu schweigen, einfach mal nichts sagen, einfach nur so da sein und die Zweisamkeit genießen. Dazu legt sich der Miezekater auf die geschlossene Toilette.
Das finde ich dann immer so entzückend, dass ich auch aufpasse nicht zu arg während des Waschvorganges zu spritzen.
Ich will ja, dass er bei mir bleibt.
Die Situation war also so:
Ich in Wanne, Kater auf Klodeckel und die Waschmaschine lief. Sie wusch.
Und plötzlich setzte sie mit dem Schleudern an und es klapperte entsetzlich laut.
An der Waschmaschine ist nämlich so ein Hakendingsbums dran, wo Schwämme, Bürstchen, Taucherbrillen und Zopfgummis dranhängen.
(Ja richtig, es klappert dann immer so und es an diese Stelle zu hängen ist auch echt ne dumme Idee und natürlich von mir...egal...)
Dieses Ding haute so doll gegen die bebende Maschine, dass ich dachte, mir rennt der Kater davon.
Ich hatte aber eine super Idee, nämlich mit meinem Fuß dieses Hakengedöns an die Waschmaschine zu drücken, damit es nicht mehr klappert.
Dafür musste ich mich nur so sehr strecken, dass der Kopf fast unter Wasser tauchte und ich mich kaum halten konnte… dann:
Ratterte die Maschine erst so richtig los, mit 1600 Umdrehungen tat sie alles um die umherwirbelnden Handtücher so richtig trocken zu schleudern. Ich hielt mein Bein noch fester hoch und ja, der Krach wurde auch weniger aber….
Wisst Ihr noch? Vor ca 15 Jahren gab es diese kleinen Fitnessstudios mit diesen Rüttelplatten, die einem zur Bombenfigur verhelfen sollten, keine Ahnung warum sich die nie bewehrt haben.
Ich sah an mir herunter und alles was nicht Knochen war, wackelte und es sah wirklich ähm gewöhnungsbedürftig aus.
Aber ganz tapfer hielt ich diese Position und war so dermaßen froh, kein Promi zu sein mit der Gefahr von Paparazzi vorm Badfenster.
Wie hätte ich diese Situation nur erklären sollen?
Ich musste laut lachen und sah rüber zum Kater. Wäre ich mir nicht so sicher, dass er ein Tier ist, hätte ich schwören können, er lachte mich aus. Und dann fast peinlich berührt guckte er zu mir und ich konnte nicht mehr.
Als der Wadenkrampf ansetzte und ich definitiv gegen dieses Haushaltsgerät verlor, sprang der Kater auf und rannte zur Tür.
Ich muss sagen, nach dieser Erfahrung war ich sehr enttäuscht. Von mir, von meiner Ausdauer und meinem Körper.
Kann diese Übung leider nicht weiterempfehlen.
Und sollte das jetzt an meinem Selbstbewusstsein nagen, denke ich einfach an meinen Sohn, der mich letztens um etwas bat.
Und ich sagte: Dann sag, dass ich deine schönste und einzige Mama bin!"
Und er:" Natürlich bist du meine einzige Mama!"
Tag 96
Ohne mich wär‘ ich glücklich
Wer kann mich so verletzen,
wer kann mich so verstehen?
Wer zeigt mir seine Seele,
wer will jetzt nicht mehr geh´n?
Wer schaut mich an im Spiegel,
aber kontrolliert?
Ob alles sitzt, oder was falsch ist,
wer hat nicht applaudiert ?
Wer kann mich halten und lieben,
wer kann mich so versteh´n?
Wer setzt sich für mich ein,
wird nie mehr von mir geh´n?
Wer nimmt Kritik und wertet,
wer kann so ungerecht sein?
Wer zwingt mein Herz bis es erhärtet?
Wer hält mich dann im Mondenschein?
Wer weint mit mir, zählt Tränen,
die sanft ins Kissen zieh´n?
Wer möchte was an mir ändern,
wer kann dem nicht entflieh´n?
Da gibt es nur die eine,
die immer nah mir bleibt,
die schöne Abendlieder singt,
rührende Gedichte schreibt.
Ich wollt‘ ich könnt´ mich trösten,
im Leeren bei mir sein,
dann wär‘ ich endlich glücklich.
Und nie mehr ganz allein.
Tag 95
Leitfaden fürs Homeschooling
Ich möchte hier den anderen verzweifelten Eltern eine Hilfestellung geben und ein paar Regeln aufführen, wie man unbeschadet mit seinen Kindern durchs Homeschooling kommt:
Die Voraussetzung sind eine sehr große Wohnung, oder ein sehr großes Haus.
Mit so vielen Räumen, dass jedes Familienmitglied einen eigenen hat, schallgeschützt, groß mit Tageslicht durchflutet, mit nem Laptop, Drucker/Scanner, 8 Kilo Druckerpapier und einem W-LAN Anschluss.
Das sollte ja soweit kein Problem sein.
Als Weiteres sollte jedes Schulkind, egal welchen Niveaus, eigenständig und friedlich seine Aufgaben fristgemäß erledigen.
Fragen an die Erwachsenen, nur im äussersten Notfall, wie Hausbrannd, Überflutung oder Einbruch.
Sollte ein Kind Unterstützung brauchen, schaltet man den Fernseher ein: für 6-8 Jährige KiKa, die Sendung mit der Maus kommt in den folgenden 5 Stunden sicherlich und für die 9-17 Jährigen stündlich N-TV.
Die Wahrscheinlichkeit, dass das entsprechende Thema behandelt wird, ist größer, als man vermutet.
Sollte auch das nicht helfen und ein fragendes Kind nähert sich einem, sollte man sich so schnell es geht eine Beschäftigung suchen, auf die man sehr sehr fokussiert wirkt.
Wird man dennoch angesprochen, erstmal auf das andere Elternteil verweisen.
Nützt es nix? Dann wäre es gut, wenn noch größere Geschwister im Haushalt leben oder man sich für die Zeit des Homeschoolings welche ausborgt.
Müssen dann doch mal die Eltern ran, könnte man mit themenfremden Diskussionen beginnen oder gar einen Streit anzetteln.
Ist dann erstmal Ruhe geschaffen, kann man sich erholen, einen Kaffee trinken.
Ich habe noch einen ganz besonderen Tipp, für den Fall, der gleichzeitigen Anwesenheit aller Familienmitglieder in einem Raum:
Wenn man sich einen Mixer beschafft und ihn ordentlich in einem Becher rühren lässt (Plastik gibt die beste Akkustik), dann scheint nur der Anblick der vielen Menschen fast liebenswürdig, es wirkt wie eine laute Untermalung und alle Schreie, Gesänge oder Rufe versinken im Mixerklang.
Wir sind nicht allein.
Dem Text nachsenden, möchte ich, dass die Verzweiflung der Schüler und Eltern ggf auch die der Lehrer mehr als nachvollziehbar sind. Der nicht zu rechtfertigende Druck an die Schüler und Eltern zu Hause ist weder zielführend noch unbedenklich.
Die Schulcloud ist am Limit, darum sind Videokonferenzen um neuen Lernstoff zu unterrichten leider unmöglich? Am Limit sind aber auch alle, die ein über Jahre entwickeltes "Konzept" aus Lehrplan und Lehrmethoden in ihren Kinderzimmern imitieren müssen.
Tage 93/94
Lang ist´s her.
Ich muss sagen, dass die Wochen vor Weihnachten so ziemlich alles gegeben haben, was 2020 noch zurückgehalten hat.
Es muss ja auch alles gleichmäßig ins selbe Scheißjahr „verteilt“ werden. Oder?
Ja, du hast´s geschafft!
Mir vor Augen zu führen, wie enttäuschend und unvorhersehbar die Wellen des Lebens einen unter Wasser drücken können,
ob man da vorher tief eingeatmet hat oder nicht.
Ich danke meiner Familie.
Durch sie, hatten wir ein wunderschönes Weihnachten, sogar ruhig und besinnlich.
Mal so zum spüren und nicht zum durchrennen.
Der Seele tut dieses Schneckentempo sichtlich gut und darauf konzentriere ich mich.
Ein bisschen in Deckung möchte ich schon gehen, schließlich haben wir noch ganze 2 Tage, die noch immer einen draufsetzen könnten!
Und verfalle ich doch mal ins Grübeln, oder gar in Melancholie, dann kommt schon eine der zarten Kinderstimmen, die zu anderen Mitbewohnern ruft: „Ihh, kommt mal! Hier riecht´s nach Kacke!“
Sie würden nicht von mir abstammen, wenn nicht mindestens einer dieser Aufforderung folgen würde und sich testriechend zum Rufenden beugt.
Dann passiert folgendes: ein lautes Pupsgeräusch erfüllt den Raum und er lacht und sagt: „Siehste! Hier riecht´s nach Kacke!“
Ja, genau dann weiß ich: hier bin ich zu Hause, hier gehöre ich hin und hier wohnen die Menschen, die ich liebe.
Das sind die Szenen, die in keinem Film vorkommen, dafür gäbe es auch keinen Oscar und doch sind es die Momente, die mich an das Jetzt und an meinen Humor erinnern.
Danke.
Tag 92
Wenn das Leben ein Dia wär
Würden die Menschen danach streben,
unglücklich verliebt zu sein und nicht lang zu leben.
Sie würden streiten und auch hoffen,
dass sie ganz viel einsam sind,
und auch sehr betroffen.
Alpträume wären in jeder Nacht,
die Grundlage der dunklen Macht.
Sie würden triste Farben tragen,
nur noch nach dem Unglück fragen.
Gehts dir schlecht? Dann ists ja gut!
Verlieren, verlassen und ohne Mut.
Die Zähne schwarz, die Haare geschmiert,
Augenringe da und Pickel drapiert.
Niemand würde nach Höhepunkten streben,
nur noch in endlosen Tiefen leben.
Gefeiert würden Infektionen, Verletzungen,
Wunden und Aggressionen.
Verzweiflung, Eifersucht und die Trauer,
wären deren stabile Mauer.
Sich niemals auf den anderen verlassen,
besser noch sich ewig hassen.
Es gäb auch keine Ehen mehr,
Liebe, Leidenschaft, der Trog wäre leer.
Hell wäre dunkel und dunkel wäre hell,
das Leben verkennen, das ginge schnell.
Es klingt so traurig, ein kleines Bisschen wahr,
doch eines ist sicher, eines ist klar:
Lasst uns viel singen, tanzen und lieben,
die Option des Dias versiegen.
Tag 91
#ALARMSTUFEROT
Das Wartezimmer voll wie nie zuvor,
wer ist der Nächste? Wer kam davor?
Die Türe öffnet, ein Doktor in weiß,
ruft einen Namen, den andren läuft der Schweiß.
Unter Fieber, Angst und Atemnot,
die Wartenden vom Tode bedroht.
Warum kommt nicht die Schwester und sieht nach Ihnen?
Studierte Menschen, mit regungslosen Mienen?
Die Stunden vergehen, das Leben verzieht,
sich hin Richtung Himmel, der Arzt es nicht sieht.
Tabletten, Säfte und Infusionen,
Nur für die anderen Institutionen.
Doch fällt denn eines gar nicht auf?
Wer da stirbt, mit schwerem Verlauf?
Es sind die Menschen, die sonst alles machen,
um die Gesellschaft zu unterhalten,
nun gehen sie krachen.
Die leider keine Lobby haben,
hört man noch zu wenig Klagen?
Das Wartezimmer wird leerer,
die Kraft ist entzogen,
zum harren und streiken,
Gleichgerechtigkeit scheint verlogen.
Warum sieht der Arzt denn weg?
Er muss doch alle Menschen retten!
Doch er hat nur für die einen,
Auserwählten Betten.
Zum Ausruhen, genesen und überleben,
den anderen, wurde die Chance nie gegeben.
Stehen wir vor einer Zeit, dem kulturellen Untergang?
Ohne Schauspiel, Instrumente, Künstler und Gesang?
Lasst das nicht zu, wir brauchen EUCH doch!
Was wäre das, für ein riesiges Loch?
Unvorstellbar und nicht zu dulden,
so so viele Menschen mit existenziellen Schulden.
Der Doktor entpuppt sich, er neigt zum ausbeuten.
Die Bretter, die sonst die Welt bedeuten.
Bitte Herr Doktor, verhindern Sie Not!
Es ist fast zu spät, ALARMSTUFEROT!
Tag 90
Nervenlos durch die Nacht
Bei meinem Abendgebet muss was schief gelaufen sein, dachte ich doch um eine ruhige, gesunde und friedliche Zeit gebeten zu haben.
Es stand eine Kiefer OP meines Sohnes an, der Grund ist eine längere Geschichte. Das Ziel 4 Zähne ziehen, einer davon noch unter dem Zahnfleisch im Knochen, das alles unter einer Sedierung (das hier war der Werbeclaim dafür:
„Die Sedierung versetzt den Patienten in einen tief entspannten, ruhigen Zustand – den sogenannten Dämmerschlaf. In diesem Zustand wird die Außenwelt nur undeutlich wahrgenommen. Dennoch bleibt der Patient bei dieser Narkoseart während der Behandlung bei Bewusstsein.
Im Vergleich zur Vollnarkose wacht man nach der Sedierung schnell wieder auf und kann relativ kurze Zeit später wieder den normalen Alltagstätigkeiten nachgehen.“)-ich könnte mich totlachen!
Also stampfte ich frohen Mutes mit dem Kind unterm Arm bis ans Ende Berlins, eine weitere Begleitung war spontan unmöglich.
Das sollten wir ja wohl auch allein hinkriegen!
1,5 Stunden Hinfahrt und pünktlich zum Termin in der Praxis.
Als wir im Wartezimmer saßen, beschlich mich so ein Gefühl, mein Sohn deutete Muffensausen an und ich sagte der Schwester, dass er bei blutigen Sachen zur Ohnmacht neige.
Die Schwester beruhigte mich und ich setzte mich mit einem mir bekannten Gefühl wieder hin. (Kurze Abschweife: ich war mal mit unserem Kater, der noch sehr sehr scheu war, beim Tierarzt. Dieser Besuch entpuppte sich zu einer 2-Stündigen Session, in der Doktor und Helferin dem Kater durch die gesamte Praxis hinterher gehechtet sind, bis die Mieze sich hinterm PC Tower verschanzte, wo man nicht an ihn ran kam.
Es war mir so unangenehm mit so einem unkontrollierten Tier dort aufzuschlagen. Der Doc musste zum Blasrohr greifen, was er nur in Zoos sonst benütze, betonte er und brachte den Kater zur Ruhe.(nicht in die ewige!) An die verschwitzen Gesichter der „Jäger“ kann ich mich gut erinnern.)
Dieses Gefühl, wie überfordert und hilflos ich da war.
Ich schiebe diese Gedanken bei Seite und höre mich aufmunternde Parolen schwingen, dass alles gut wird, er keine Schmerzen spüren wird, es sicher nicht so lange dauert..und vieles mehr.
Wow, ich werde nie wieder ernst zunehmen sein.
Wir wurden aufgerufen und wir nehmen unsere Positionen auf dem Spielfeld ein.
Netter Plausch mit dem Behandler, einen Spaß hier, eine Erklärung ans Kind da und wir warteten auf die Wirkung des Sedativum.
Langsam dämmerte das Kind weg, ich ließ meinen Blick schweifen, um nicht ganz so angespannt zu sein.
Das Spiel begann, der Arzt setzte mit Spritzen für die lokale Betäubung an und unter großem, großem Protest gelang es dann auch.
Die Sedierung schien nicht auszureichen, darum wurde nochmal etwas nachgegeben.
Der erste Zahn wurde gelockert, aber nicht nur, dass das Kind die Praxis zusammenschrie, sondern auch dabei das bereits laufende Blut durch das Zimmer flatschte. Ich rückte aus meiner Ersatzbankposition näher und nahm mich der einzig erreichbaren Unterschenkel des Sohnes an und streichelte diese.
Es brachte so ziemlich gar nichts.
Die Behandlung musste immer wieder unterbrochen werden, weil der Patient durch die Nase atmen sollte, das aber nicht tat. Er verschluckte sich, wollte aufstehen…und um ehrlich zu sein-konnte ich das zu gut verstehen.
Die entstehenden Geräusche und starken Bewegungen, die nicht zu verhindern sind, wenn ein Zahn aus dem Knochen gefriemelt wird, sind echt gruselig. (Ich bin ehem. Zahnarzthelferin, ich weiß wovor man sich gruseln darf!)
Es zeichnete sich ab, dass es eine harte Tortour für alle Beteiligten wird.
Das Kind schrie, hustete, boxte und wollte einfach nur nach Hause. Der Arzt und die Schwester waren sehr sehr geduldig und einfühlsam, aber an einem gewissen Punkt mussten die Ansagen harrscher werden.
Ich bat zwischendurch meine akustische Unterstützung an, schließlich hatte mein Wadenstreicheln keinen Effekt.
Ja, ich fasse mich kürzer…es war ja nur alles so aufregend.
Wir waren nach insgesamt 2 Stunden „fertig“, das hieß, Kind schlief und schnarchte laut-sehr laut, spuckte zwischendurch diverse Tupfer aus und machte Ansätze die Praxis verlassen zu wollen.
Diese Einladung war mir sowas von willkommen! „Ok, kannst Du laufen? Dann gehen wir!“
Der Sohn erhob sich, ich harkte ihn unter und zack, sackte er zusammen in Richtung Praxisboden.
Schnell eilten zwei nette Helferinnen herbei und packen das Kind dahin wo es her kam, zurück auf den Stuhl.
Er schlief wieder. Ich atmete tief ein und aus und versuchte mich zu entspannen. Die Ahnung, wie die Rückfahrt wird, saß mir im Nacken.
10 Minuten später schlugen die Schwestern mir vor, ihn bis runter zu begleiten, damit ich das Auto vorfahren kann.
Den Familienvan vorgefahren, bereitete ich den Beifahrersitz vor, legte ihn mit sämtlichen Stoffen und Tüchern aus, die ich bei mir trug und kippte den Sitz nach hinten.
Der Patient wurde wie n Trunkenbold zum Auto geleitet und mir ins Auto gewuchtet. (Van=hoch)
Die Fahrt konnte losgehen. Direkt und ohne Einleitung in die OP-Nachwirkungen-Hölle.
Ich saß von da an, neben einem unberechenbaren, fluchenden, schreienden, tretenden und weinenden Kind, das ständig aufstehen und aussteigen wollte, oder schlagartig das Bewusstsein verlor und mit dem Kopf gegen die Fensterscheibe stieß.
Leute, ich habe ja schon ner Menge erlebt, unter anderem Kinder entbunden. Ich bin da keine Heulsuse, aber DIESE Rückfahrt war die schlimmste, die ich je in einem Auto hatte.
Zwischen beruhigenden Worten und ein paar strengeren, einem gesungen Lied und regelmäßigem Rübersehen, hielt ich das wütende Kind mit meinem rechten Arm ganze 78 Minuten fest.
Auf der Hälfte des Weges habe ich Pianomusik angemacht um wenigstens mich zu beruhigen.
Ich wusste aber auch, dass wir jetzt nur eins machen können-weiterfahren!
Wir standen an der vollsten und größten Kreuzung unseres Weges mitten in Berlin und er schreit:„Ich muss brechen!“
Ich wusste um die Blut/Speichelmenge in seinem Mund und musste ein "Übergeben" ohne Zweifel verhindern.
„Jetzt!“ schrie er.
Ich drückte das Warnblinklicht, ich mutierte zum Hulk und kam an einer Bushaltestelle zum stehen, rannte um den Wagen, riss die Tür auf und hob den Sohn da raus. Ich hielt ihn an einen Baum, stiess die Beifahrertür mit dem Fuss zu. Und wartete. Meine Haare wehten mir ins Gesicht-es hätte eine Filmszene sein können.
Das Kind beugte sich vor, ich redete wieder gut zu und er wurde ohnmächtig. WHAAAAT?
Da hockte ich mit dem blutverschmierten, armen Jungen und versuchte ihn vom Bürgersteig zu heben, er war zu schlapp und schwer, die Tür war ja geschlossen. Oh man.
Es kam ein junger Mann aus dem Dönerladen gerannt und fragte, ob er helfen könne.
Ich erklärte ihm schnell die Situation und er half mir das Kind ins Auto zu hieven.(Van=hoch) Und verabschiedete sich mir dem Satz:
„Alles Gute, Großer!“
In der Hoffnung das Schlimmste geschafft zu haben, kam mir die Weiterfahrt wie ein Schneckenrennen vor.
Das Navi hat mich ausgelacht und zeigte meinem Beifahrer immer schön die noch bevorstehenden Minuten. Unter Kopf-und Zahnschmerzen wurde er so wild, dass er trotz des Gurtes in den Fussraum zu rutschen drohte. Ich zog ihn am Schlafittchen gepackt hoch mit meinem rechten Arm, in dem ich eh kein Gefühl mehr hatte.
10, 9, 8, 7, 6 Minuten-„gleich sind wird da!“
Als uns schon vorm Haus Hilfe entgegeneilte, öffnete sich die Tür und der Sohn wurde ins Haus getragen.
Ich parkte ein und blieb sitzen.
Die Musik spielte und ich drehte lauter.
Wieder einmal hab ich es geschafft.
Wieder einmal hab ich alles gegeben um eine gute Mami zu sein.
Tag 89
An meine Kinder
Wenn ich keine Mama wär,
wär´n die Einkaufstüten leichter.
Getragen wie von ganz allein,
mein Gang wär etwas seichter.
Wenn ich keine Mama wär,
würd ich feiern bis zum Morgen,
Einen Döner früh um 5,
ich hätt‘ keine Sorgen.
Wenn ich keine Mama wär,
würd ich gucken alle Streifen,
Ab Feierabend bis in die Nacht,
bis die Ohren pfeifen.
Wenn ich keine Mama wär,
würd ich am Wochenende schlafen.
Den ganzen Tag im Bette dann,
im warmen, faulen Hafen.
Was red’ ich da, von einer Zeit
im Konjunktiv mit kurzer Sicht?
Was wär ich ohne Mamasein,
anders und ganz ohne Licht.
Natürlich würd ich den Raum ausfüllen,
wär erfolgreich nur für mich.
Aber das wär kein schöner Traum,
Es wär leer und ohne DICH.
Wenn ich keine Mama wär,
hätt ich weniger Leben.
Um mich herum und innen drin,
drei mal weniger Segen.
Weil ich eine Mama bin,
weiß ich´s zu genießen.
Wenn mein Kind mich dazu bringt,
den Tag mir zu versüßen.
Weil ich eine Mama bin,
schlägt mein Herz noch stärker,
für die Kleinen, für mein Leben,
Zufriedenheit, mein Wärter.
Weil ich eine Mama bin,
seh ich Menschen wachsen.
Wie ich sie begleiten kann,
bevor Träume platzen.
Weil ich eine Mama bin,
seh ich zufriedene Wesen.
Die im Schlafe sich senken und heben,
ich fühle mich erlesen.
Vom Universum, der Natur
hat es mich getroffen,
dass ich so reich, so liebevoll bin,
mit Menschen, die mit mir hoffen.
Und weil ich drei mal Mama bin,
kann ich von Stärke reden.
Jedes ist ein eigenständiges,
mit Liebe gefülltes Leben.
Tag 88 (aber nicht egal)
Die Handtasche
Gut, kurz gesagt, ein Wunder der Textilindustrie.
Oder etwas ausgiebiger formuliert: ein Produkt, ein Sammelsurium eines zweiten Haushalts.
Mit gleichermaßen viel Verantwortung, oder aber wie ein schwarzes Loch in der Galaxie.
Oft der Grund zur Freude der modernen Frau und oft der Grund zum Verzweifeln des modernen Mannes.
Denn Sätze wie: „Schatz wo hast du die Autoschlüssel?“ können der Beginn für Ehestreitigkeiten, Missverständnisse, sogar Scheidungen sein.
Ich selbst wähle meine Handtasche nach Stimmung, Wetter, Kleidung, oder einem Anlass.
Seit einigen Wochen, zum Ende des Sommers hin, musste ich umdenken und auch modisch eher zum praktischen, dezenteren, graueren und zurückhaltenden Modell wechseln.
Ehrlich gesagt, könnte man mit dieser Tasche einen Umzug bewerkstelligen.
Ich trage nur das Nötigste bei mir, so wie sicherlich viele andere meines Geschlechts. Zum Beispiel Taschentücher, Schlüssel, Portemonnaie, eine Sonnenbrille, ein Deo und Einkaufstüten.
Ja.
Ist ja schon gut.
Vielleicht habe ich auch noch ein Buch, naja es sind 2, verschiedene Schlüssel Bunde, Bonbons, Kaugummis, wichtige Dokumente, Socken vom Kind, eine Haarbürste, ein Mini Telespiel (für den Notfall), einen Legomann (irgendwo ist auch sein Helm), ein kleines Auto, einen kleinen Gummiball-der angeblich den Taschenboden sauber hält, Zopfgummis, ein Kartenspiel, eine kleine Tasche mit Kabeln, 17 verschiedene Mundschutze und eine große Kosmetiktasche mit so ziemlich allen Kosmetika, die man sich vorstellen kann.
Ist mit mir schon so oft der Hochmut durchgegangen und ich habe im Ernst geglaubt, ich könne etwas aus der Tasche fischen, ohne hineinzusehen.
Wenn ich die Zeit zusammenrechnen würde, die ich mit Wühlen und Tasten verbracht habe, mein GANZES LEBEN, das wären sicher schon Monate oder Jahre.
Was ich mit der Zeit hätte anstellen können…ich schweife ab.
Nun, mein Herbstmodell durch den Alltag schleppend, mit dem sicheren Wissen…würde ich unterwegs mal mit dem Auto liegenbleiben, ich wäre mit allem ausgestattet und würde sicher überleben!
Die Tage vergehen und gestern schleudere ich besonders zielsicher meine Handtasche auf den Autorücksitz und plötzlich scheppert es.
Warum?
Ich stecke den Kopf ins Auto und forsche nach der Ursache.
Als ich nach einigen Kubikmetern Zeug mit meiner Hand zum Boden meiner Tasche drang, spürte ich etwas kaltes.
Glas.
Ich hole alles aus der Tasche raus und entdecke 4 Gläser Marmelade!
Ich habe einen Filmriss-aber nein, jetzt weiß ich’s!
Letzte Woche- nein vorletzte Woche war ich extra im Bioladen und habe meine Lieblingsmarmelade gekauft!
Es ist ja nicht so, als hätte ich das vergessen, dass ich da noch diese Gläser, diese Kettlebells mit mir rumschleppe, mit ihnen beim Arzt, beim Fussballtraining, beim Einkaufen, Spazieren und ja, sogar beim Eisessen war.
Soll mich doch mal Jemand fragen, ob ich regelmäßig Sport mache. NA KLAR!
Tag 87
Geduld
„Die Nächste bitte!“
Ich gehe zur Tür herein und bin schrecklich nervös.
Die letzte Dame, die aus diesem Zimmer kam, sah nicht so glücklich aus.
„Hallo“, höre ich mich sagen. Meine Stimme ist unsicher.
„Guten Tag. Sie bewerben sich also hier, ist das richtig?“
„Dann möchten wir gern wissen, was erwarten Sie von uns?“
Da ich nicht Platz nehme und von der Frage etwas überrascht, knete ich die Henkel meiner Handtasche, wackle mit den Zehen in meinen Turnschuhen und hoffe mit meiner Antwort keinen zu Enttäuschen.
„Alles. Ich erwarte eigentlich alles.“
„Wir haben Ihre Unterlagen angesehen und wir müssen sagen, dass Sie in manchen Bereichen wirklich stark sind. Zwischenmenschlich zum Beispiel oder Humor, aber das wird leider nicht reichen um bei uns erfolgreich zu sein.“
„Warum? Was fehlt mir? Ich habe Ihnen all meine Zeugnisse, Urkunden, Abschlüsse und Beurteilung zukommen lassen.“
„Ja, wissen Sie, ehrlich gesagt, beobachten wir Sie schon länger…“ mein Mund ist trocken und ich merke, wie meine Knie mir wenig Stabilität geben können. „…wir haben Sie unterschiedlichen Tests unterzogen, ohne Sie in Kenntnis zu setzen.“
„Sie? Tests? Mit mir? Wann, warum?“
„Wir wollten sehen, ob Sie wirklich geeignet sind und auch mit Herausforderungen, Niederlagen umgehen können, oder sich in Stresssituationen bewehren.“
Ich schließe die Augen und durchscanne mein Leben, die einzelnen Stationen und plötzlich passt so vieles zusammen, es war, als würde jemand einen grauen, schweren Schleier von mir nehmen und trotzdem habe ich so viele Fragen.
„Wir haben gesehen, wie Sie unbeherrscht, unvorbereitet und auch niedergeschlagen auf unsere Tests reagiert haben.“
„Aber ich habe doch daraus gelernt und meine Sicht auf Vieles hat sich geändert, ich werde immer besser und ich verspreche Ihnen, ich lerne schnell! Ich bin teamfähig und offen mir neue Felder zu erschließen, bitte geben Sie mir eine Chance!“
„Uns ist klar, dass Sie mit Ihren 38 Jahren schon viel vorzuweisen haben, aber wir können Sie nicht für diese Position besetzen, das wäre mehr, als ein Sprung ins kalte Wasser.“
Ich sacke zusammen und setze mich auf den Boden, lege meine Tasche neben mich und spüre Verzweiflung.
Ich habe so hart trainiert, so viel gelernt, Überstunden gemacht und hatte wirklich das Gefühl, ich sei so weit.
Wäre ich davon nicht überzeugt, wäre ich heute nicht hier.
Ich atme tief ein und aus und Tränen bahnen sich ihren Weg über meine Wangen.
Was habe ich nur falsch gemacht?
„Melden Sie sich gern in ein paar Jahren wieder bei uns, wir sind wirklich an Ihnen interessiert.“
Leise antworte ich: „Ich möchte ganz offen zu Ihnen sein, ich habe all meine Erwartungen in Sie gesetzt, ich wollte Glück, Freiheit, Liebe, Selbstbestimmung, Familie und noch so vieles mehr. Und ich dachte eigentlich auch, dass ich das bei Ihnen bekommen kann.“
„Das ist vielleicht das Problem, sie sind ungeduldig und möchten alles auf einmal, sie sind so getrieben und besinnen sich so wenig auf das, was Sie haben. Unsere Tests waren sehr schwer für Sie, das wissen wir, Sie wurden mit dem Tod, dem Abschied, einer überraschenden Liebe und vielen traurigen Momenten konfrontiert…aber sie waren jedes Mal überrascht.
Sie waren noch nicht so weit zu erkennen, dass all das dazugehört.“
Ich raffe mich auf, nehme meine Tasche und verabschiede mich.
Die Tür schließt und ich gehe einen langen Gang hinaus, die Sonne blendet mich und Fußgänger überqueren die Straßen und Bürgersteige.
Ich gehe ein paar Schritte, drehe mich um und blicke zurück, das Schild am Haus reflektiert die Sonnenstrahlen, trotzdem kann ich es gut lesen, was darauf geschrieben steht:
SCHULE DES LEBENS
Tag 86
Schicksale to go
(für einen Termin bin ich quer durch Berlin gefahren)
Ich habe im Stau gestanden.
Ich habe zwei Jungs mit einem Ghettoblaster gesehen. (sowas gibt es noch?)
Ich hab eine Frau angelacht, die sich darüber gefreut hat. Vielleicht war es ihr erstes Lächeln heute.
Und dann habe ich auf meinem Weg quer durch die Stadt 2 Menschen weinen sehen.
Das erste, war ein Mädchen, das an einer Bushaltestelle wartete und das andere eine Frau, die vor einem Bioladen saß.
Wie selten das aber ist, Tränen in der Öffentlichkeit.
Ich habe einen Mann auf dem Fahrrad gesehen, dessen Jacke sich aufplusterte wie ein Fallschirm. Er denke, er ist noch abgehoben.
Ich habe mich fast mit einer Frau gekloppt, weil ich darauf bestand, mich auf ihre Spur zu lassen, weil vor mir ein Unfall war und ich Platz machen musste.
Ich habe zwei Männer vor einer Sparkasse gesehen (sie hielten den Kunden die Türe auf und neben ihnen standen kleine Häufchen aus Tüten, Flaschen und Decken), als sie sich gerade unterhielten und der eine dem anderen plötzlich eine Hand voll Geld zusteckte. Der Andere wollte es zurückgeben, aber er stieß auf eine abwinkende Geste und eine wohlwollende Mimik.
Ich habe mit meinem Lieblingspodcast mitgelacht und meinen Nebenmann an der Ampel damit angesteckt.
Ich habe eine Gruppe von Männern gesehen, die an einer Imbissbude saßen und sich gegenseitig zuprosteten, in dem Moment als ich vorbeifuhr und sie wie durch einen Zufall zu mir schauten. Prost Jungs!
Ich habe die Sonne gesehen, die sich vor dem Tag verneigte um sich bis morgen zu verabschieden.
Und so sehr ich hier von Anderen erzähle, könnte sich doch Jeder in Jedem von denen wiederfinden oder?
Wie meine Mutter immer so schön sagt: „Nimm dir Zeit und nicht das Leben!“ schwoften mein Auto und ich über den Asphalt der Stadt.
Tag 85
Meditation für Verkopfte
Ich habe eine tolle Meditations-App und meistens gelingt es mir auch darin zu versinken.
Aber manchmal ist mein Kopf so an, dass er mich immer wieder stört und Fragen stellt.
Es läuft dann so:
Ich renne durch den Garten, denn im Haus sind sämtliche Familienmitglieder verteilt und potenzielle „Unterbrecher“.
Als idealen Platz mich zu entspannen und der Stimme zu lauschen, scheint mir die Hollywoodschaukel-heute ist Sonntag und keiner macht Krach. Perfekt.
Ich lege mich hin (etwas müde bin ich ja schon), sitzen scheidet aus, ist zu anstrengend.
Es geht los.
App: „Such Dir eine bequeme Haltung und atme tief ein und aus.“
Kopf: Wenn mir beim Einatmen ein Insekt in den Mund fliegt…
App: „Wenn Du auf einem Stuhl oder auf einer Matte sitzt….“
Kopf: MOMENT! Ich liege! Ist das jetzt falsch? Warum hat sie das nicht mit aufgezählt? Egal. Entspannung!
App: „Nimm Deinen Körper wahr. Betrachte Dich, als wenn du dich von außen anschaust. Wie ist deine Haltung?“
Kopf: Oh man, ich liege da wie im Sarg. Die Hände auf dem Bauch zusammengefaltet, als käme jede Mediation zu spät.
App: „blablablaa“
Kopf: Mist, jetzt hab ich nicht zugehört…
App: „Nun reise durch Deinen Körper und beginne an deinen Zehen, krallen sie sich am Boden oder den Schuhen fest?“
Kopf: Naja, ich liege ja, ich hätte also doch lieber sitzen sollen. Ob ich nochmal von vorn anfange?
App: „Betrachte jetzt deine beiden Füße…“
Kopf: Was ist das? Ah es fährt ein Auto aufs Nachbargrundstück mit Musik, was ist das für ein Lied?
App: „Nun gehe zu Deinen Unterschenkeln…“
Kopf: Meint sie auch die Schienenbeine? Oder hätte sie dann auch Waden gesagt? Schließlich gibt es ja für die Oberschenkel kein Gegenstück, also keine Hinterschenkel, oder wie heißt die Region zwischen Gesäß und Kniekehle?
App: „Spüre Dein Becken…“
Kopf: Becken also, eher die Knochen ja? Oder die ganze Region, also ich meine…
App: „Deine Hüften wie fühlen sie sich an?“
Kopf: Zu viel! Ich hätte diesem dringenden Bedürfnis nach tiefgekühlter Milchspeise ab 22Uhr an den letzten Abenden nicht nachgehen sollen.
Ab morgen ernähre ich mich gesünder! Chaka!
App: „Gehe zu….“
Kopf: Wenn die App jetzt Brüste sagen würde, oder andere Wörter dafür: Gehe jetzt zu deinen Glocken, Melonen, Möpsen…Holz vor der… JA, ist ja gut, es können ja auch Männer meditieren…natürlich sagt sie was neutrales.
App“:…Deinem Brustkorb.“
Kopf: Ha! Wusst ich´s doch!
App: „Spüre beim Atmen, wie er sich hebt und beim Ausatmen senkt“.
Kopf: Hat da Jemand aufgestoßen? Ich habe eindeutig einen Rülps gehört-na toll ey, ich bin überhaupt nicht IN meinem Körper. Boah, ist das schwierig heute.
App: „Dein Nacken, ist er entspannt?“
Kopf: Wenn der entspannt wäre, würde ich nicht meditieren. Was machen wir heute eigentlich zum Mittag?
App: „Nimm Deinen Körper wahr und…“
„AAAAUAAAAAA! Ahhhhhhhhh!“ Ein Kind hat sich die Finger in der Gartentür eingeklemmt…. wunderbar.
War ja auch intensiv genug.
Ich bin so richtig ENTSPANNT!
Wer heute noch was von mir will, SOLLTE SICH IN ACHT NEHMEN!!!!
Tag 84
Superfrau
Manchmal weiß ich gar nicht wie ich das mache.
Ich bin anscheinend eine Superfrau.
Wie viele andere auch.
Ich habe seit 25 Jahren Migräne, sie ist mein treuer und ungebetener Begleiter, sie kennt mich besser als ich sie und sie scheißt auf meinen Terminkalender.
Das ist ihr Job. Und meiner ist es, damit zu leben.
Zwischen Kindern mit Bedürfnissen und Wutanfällen (am liebsten zwei Kinder gleichzeitig!), Großelternbesuchen (die immer wunderschön sind!), aber Aufmerksamkeit verlangen, einer Ehe, einem Job, Freunden und Familie, die mich sehen möchten, Festen, die gefeiert werden wollen, dem Hobby (welches grad sehr unter meiner Untätigkeit leidet) und den eigenen Bedürfnissen reißt mich diese Krankheit manchmal voll aus dem Alltag und zwingt mich innezuhalten.
Innehalten.
Warum mach ich das so wenig?
Es ist ein jonglieren mit unterschiedlich vielen Bällen, sie müssen doch alle in Bewegung bleiben.
Durch mich?
Warum eigentlich?
NÖ.
Das werde ich ändern und mich mit mir verabreden, bevor mich andere treffen.
Das Superfrauenkostüm ist eh albern. Das passt mir nicht mal richtig, ich bekomme darin keine Luft mehr.
Ich werde den Schnitt ändern, es kuscheliger machen und das „S“ mit einem „L“ austauschen.
Manche werden sich vielleicht wundern, wenn sie mich dann sehen.
Schließlich versuchen sich doch viele in so ein blödes Kostüm zu quetschen, mit welcher Aufschrift auch immer.
Für wen machen sie das?
Für Andere?
Nicht für sich.
Wann hast Du Dich zum letzten Mal um Dich gekümmert? SO richtig, mit ganz viel Nichtstun?
Siehste.
Tag 83
Wort zum Freitag
Wir wollen stets erleuchtet sein, ohne viel zu leisten.
Wir wollen immer erster sein, jedenfalls die meisten.
Wir wollen Bundeskanzler sein ohne zu regieren,
wir wollen alles können ohne zu probieren.
Es könnte doch so einfach sein,
um sich zu erheitern.
Nicht vergleichen und Angst davor,
vor anderen zu scheitern.
Die eigene Erfahrung denn, ist nur für jeden selbst,
das Geschenk das du dir machst, das Leben nicht verprellst.
Du kannst nur zufrieden sein, wenn du alles akzeptierst,
was zum Lernen dazugehört und du dir gratulierst.
Zum Mensch sein, zum Liebe schenken,
zum Eltern sein, an Andere denken.
Was von weiten so einfach scheint,
ist doch die Kunst, die uns vereint.
Das Leben niemals so zu sehn,
als würde‘s nur um unsres gehn.
Tag 82
Rampennicht
was in Spielfilmen eher selten gezeigt wird:
Hausschuhe:
Niemand trägt sie und nie sieht man, wie der Serienkiller, die Kommissarin, die Actionhelden schnell ihr Haus verlassen, ihre Hausschlappen ausziehen und in die Straßenschuhe schlüpften.
Erwachen:
Kein morgendliches Erwachen mit Knitterfalten vom Kissen im Gesicht oder dem Pickel vom zu fettigen Essen am Vorabend.
Auch wenn „er“ und „sie“ wach werden und sich morgens vis-à-vis ihre Liebe gestehen, keine Anzeichen von Mundgeruch. Es findet ein Wortaustausch und Geflüster statt, als würden die Darsteller keine Bakterien im Mund haben, die über Nacht Party machen und das Millieur derartig runterrocken.
Auch diese Szene:
Jemand liegt im Bett, wird langsam wach, hat die Augen aber noch geschlossen und lässt in der Annahme die andere Betthälfte sei noch belegt, den Arm auf diese fallen und tastet und wundert sich über die Abwesenheit des Anderen.
Wenn man sich dann vorstellt, da würde noch einer liegen, dann wäre er hart getroffen von dem suchenden Arm am Kopf oder im Gesicht. Wer macht das?
Sicherheit:
Weder anschnallen im Auto, noch es nach dem Verlassen abzuschließen ist angesagt, von den langen Unterhaltungen inkl Blickkontakt zum Beifahrer aber trotzdem das Lenkrad zu steuern mal abgesehen.
Frisuren:
Wo sieht man wie die FBI-Agentin sich morgens aufwändig schminkt und Locken dreht, bevor sie am Tatort im Nudelook und gecurltem Haar angestrengt die Hinweise inspiziert?
Frauen:
Entführung, Bruchlandungen, Geiselnahmen, Schiffbruch oder in der Wildnis verirrt.
Wenn sich solche Szenen über einen längeren Zeitraum ziehen, warum hat nie eine Frau ihre Periode und die damit verbundenen Anzeichen und Handlungsnöte?
Kinder:
Wenn die Eltern ihre Kinder auffordern „auf ihre Zimmer“ zu gehen, weil ohne sie etwas ernstes oder gefährliches geregelt werden soll, dann geschieht das ohne Widerspruch.
Stelle ich mir das bei uns vor, müssten wir nach dem Bitten, Erklären und zu guter Letzt Drohen bis diese Ansage(ohne ersichtlichen Grund) akzeptiert und tatsächlich umgesetzt würde.
Zusatz Kinder:
Wenn kleinen Kindern in einem Gespräch von Erwachsenen eine Lebensweisheit mitgeteilt wird, welches einen minutenlangen Monolog mit sich bringt, unterbricht das Kind natürlich nie und schon gar nicht mit einem völlig anderen Gedanken.
Letztens fragte mich mein Sohn: „Mama, was ist Gott?“
Alles klar, tief Luft holen, sortieren, nichts festlegen oder aufdrängen, alle Möglichkeiten einbeziehen, aber auch nicht zu lange reden.
Ich fand meine Antwort darauf wirklich sehr gelungen (innerlich gab ich mir eine im Stehen dargebrachte Ovation), plötzlich unterbricht er meine Ansprache mit dem Satz: “…Mama, weißt DU eigentlich wie der blaue von Ninjago heißt?“
Das Leben ist halt echt und keine musikuntermalte, pastellfarbene Kulisse.
Tag 81
KontrollverLust
Ich war einkaufen. Im Baumarkt.
Allein.
Habe Sprühfarbe gekauft um einen Tisch und Stühle farblich zu verschönern.
Ganz wichtig! Ich war allein!
Ich stand am Warenlaufband und entdecke 500g „Fun Mix“.
Es sollte mein Verderben dieses Tages sein.
Wer die Inhaltsstoffe gelesen hätte, konnte denken, ich wollte Suizid begehen.
Doch das Gegenteil war der Fall!
Ich habe mir 500g „Zuckerware mit Lakritz -und Fruchtgeschmack" gekauft!
Erfreut saß ich im Auto, auf dem Beifahrersitz lag meine Gönnung in Glykose-Stärke.
Ich öffnete sie und sie wurde zu meiner Begleitung auf dem 30 Minuten langen Heimweg.
Am Anfang die pure Euphorie, wie lange ist es her, dass ich Gummibärchen gegessen habe, oder mir so eine riesige Packung überhaupt gekauft habe? Ewig.
Ich fühlte mich direkt zurückversetzt in meine Schulzeit. Geldanlagen gab es damals nicht. Nur den direkten und konsequenten Invest. Das lag mir schon immer.
In Gummischlangen, Schlümpfe, Lolli‘s oder Schnüre.
Mein Gaumen schmeckte und mein Gehirn nahm alles wahr, was mich vor 24 Jahren umgab.
Der Geruch des Schulhauses, das Knistern der Papiertüte, in die die Süßigkeiten gepackt wurden. Das zählen der Pfennige und das Drängeln
der Anstehenden.
In Gedanken.
Ich kaute und kaute. Und ähm, ich kaute.
Dieses Mistzeug war derartig klebrig, dass immer etwas an und zwischen den Zähnen hängen blieb.
Ich benötigte ein neues Gummitier um die Klebereste des Vorherigen abzulösen zu können.
Ich muss nichts weiter sagen, oder?
Es war ein Teufelkreis.
Die Tüte wurde immer übersichtlicher und meine Glücksgefühle wichen einem nicht so schönen.
Ja, mir war übel.
Ich war fast zu Hause, als ich überlegte, ob man sich von zu vielen Gummibärchen übergeben könnte.
Ich bereute meine Tat und konnte es nicht fassen, dass ich mit 38 Jahren so wenig maßhalten konnte.
Nicht nur der Geruch der Schule, die Farben unserer Jacken oder der Klang der Stimmen durch die Flure, auch meine jugendliche Dummheit holte mich anscheinend ein.
Und erst jetzt fällt mir auf, wie ironisch der Hersteller dieser Zuckerpest ist.
„Fun Mix“.
Tag 80
EIGENTOR
Mein Sohn spielt mit Freunden nachmittags auf dem Fussballplatz, darunter auch ein Mädchen.
Nach einer Weile kommt ein anderer Junge auf den Platz und möchte mitkicken.
Dieser bemerkt die Anwesenheit der Mitspielerin und sagt: „Ey Du! Fussball is nix für Mädchen“!
Daraufhin ruft mein Sohn dem Jungen zu: „ Na dann runter vom Platz!“
Tag 79
Ich habe es so satt.
Es hängt mir zum Halse raus, diese Gesellschaft, die so auf sich bezogen ist, aber rechtzeitig weiß, wann sie mit dem Finger auf Andere zeigen muss.
Möchte sie immer im gut ausgeleuchteten Raum posen und mit eingezogenem Bauch und steifem Lächeln von der Oberfläche des Lebens entgegenblitzen.
Wo seid ihr?
Wo sind die Männer, die mit einem hässlichen Auto fahren, Fehler eingestehen und ohne ein schlechtes Gefühl über´s Scheitern sprechen?
Wo sind die Mütter, die preisgeben, dass das Leben zwischen entzündeten Stillbrüsten, Hitzewallungen, Schwangerschaftsabbrüchen und Regelschmerzen manchmal schrecklich scheint und es so gut tun würde, wenn das keine Tabuthemen wären und auf der Cosmopolitan-Titelseite eben diese Frauen mit genau diesen Themen abgebildet wären.
Wo sind die Jungs, die sich unterstützen und nicht andere vor der Klasse bloßstellen, weil ihr Selbstwert irgendwo hängengeblieben ist?
Wo sind die Frauen, die sich gegenseitig, ganz ohne Stutengebiss ihre Karriereleistungen anerkennen und nicht nach möglichen Makeln suchen? Manchmal vergebens.
Erfolg ist keine Spitze, auf die nur die Eine passt, Erfolg ist ein Kreis, in dem man sich an den Händen fasst und sich einander hält.
Zieht Euch nicht gegenseitig an den Haaren wieder die Leiter hinunter, wie soll so denn Emanzipation gelingen?
Wo sind die Mädchen, die sich im herausforderndsten Teil des Lebens, der Pubertät, einfach mal zulächeln und sich gegenseitig trösten anstatt sich neidisch und missgünstig zu beäugen.
Wo seid Ihr, die ihr ehrlich sagt wie es Euch geht, fragt man Euch nach dem Befinden?
Bedürfnisse sind keine Schwächen, sondern unser aller Fundament und damit elementar.
Nur durch diesen Austausch und die Offenheit wird uns doch bewusst, dass wir mit keinem schlechten oder unwohlen Gefühl allein sind.
Wir sind so viel mehr verbunden, als wir es fühlen, wenn wir neben den fremden Leuten an der Ampel stehen.
Wir haben doch alle mal traurige Momente, untröstliche Gedanken, heimliche Vorlieben oder Zweifel.
Wo sind die offenen Arme unserer Gesellschaft, die es ermöglichen Jedem einen Platz zu gewähren?
Tag 78
ERkältung
Achtung, das hier wird ein Text , der mit Vorurteilen spielt, die mir aber in meinem Leben einfach zu oft bestätigt wurden.
Diese „typisch Mann“ und „typisch Frau“-Sache finde ich schwierig und mich aus Schubladen zu bedienen gefällt mir nicht, ABER:
Wenn das männliche Geschöpf krank wird (ich rede hier von Erkältung oder nem Infekt, nicht von schweren Krankheiten), dann ist der Ablauf doch wie folgt:
Tag 1: Mann erkennt Symptome und fällt ohne große Ankündigung ins Bett.
Kommunikation ist auf Stöhnen beschränkt. Frau kümmert sich selbstverständlich um alle anfallenden Dinge und zu betreuenden Lebewesen des Haushaltes und schaltet auf Sanitäterin um.
Tag 2: er röchelt und kämpft, verdammt noch mal, um sein Leben!
Kein gekochtes Essen und kein Tee der Welt könnten nun die richtigen sein, Frau nimmt es ernst und kauft große Rationen von Vitamin C, Ingwer, Hühnersuppen und Medikamenten ein.
Tag 3: Die Erkrankung ist fortgeschritten und Frau überprüft nur noch wesentliche Lebensfunktionen und reicht Tabletten und Säfte mit der unbedingten Aufzählung, was davon alles ganz schnell besser wird (die Übertreibung der Adjektive bezüglich der Medikamente ist zwingend notwendig!)
Tag 4: Gutes Zureden ist vergebens, diesen Kampf muss er ganz allein ausfechten und Frau kann nur die Daumen drücken.
Tag 5: wie Tag 4.
Tag 6: wie Tag 5.
Tag 7: Langsam Besserung in Sicht, aber leider nur von außen. Mann hat nun schließlich mit den Folgen der letzten Tage klarzukommen.
Tag 8: Kommunikation steigt an, trotzdem muss betont werden, dass Mann noch nicht über den Berg ist.
Tag 9: Es ist geschafft. Er kann wieder am Leben teilnehmen und ist nun dafür zuständig, dass ALLE wissen sollen, wie schlecht es um ihn stand.
Tag 10: Alles ist wie vorher, obwohl es zwischendurch wirklich sehr kritisch war.
Wenn die Frau erkrankt, ist der Ablauf so:
Tag 1: Erste Symptome werden ignoriert und alles bleibt wie geplant.
Tag 2: Die Anzeichen werden nun deutlich und lassen sich nicht mehr verbergen, trotzdem „funktioniert“ sie noch und man hört sie sagen: „Ach, das ist nur n kleines Tief, das wird schon.“
Tag 3: Unter steigendem Fieber und keuchendem Husten schickt die Frau den Mann zur Arbeit und sagt, dass sie alles im Griff hat.
Tag 4: Der Gipfel der Erkältung ist erreicht und nun auch mit der Einsicht kombiniert, dass es wohl doch nicht ohne Hilfe geht.
Tag 5 und 6: Im Bett. Mutter oder Schwiegermutter wirbeln zwischen Kindern und Küche umher.
Tag 7: Abzug der Hilfsbereiten, schließlich kann Frau wieder halbwegs gradeaus laufen und übernimmt die wieder Führung.
Und was macht SIE, sobald sie sich bewegen kann?
Natürlich, Aufräumen!
Tag 76
Du hier? Und nicht in Hollywood?
Ich war mit meiner Tochter im Kino, wir standen sehr lange an und freuten uns umso mehr, dass wir uns zum Film mit vielen (bis zur Verschuldung) Leckereien an der Popcorn-Nacho-Theke belohnen wollten.
Wir sind gut drauf und unsere Bestellung wird von einem adretten jungen Mann entgegengenommen.
Mir gelingen ein paar echt gute Witze und meine Tochter dreht sich zu mir und sagt:
„Manchmal bist Du wie Martina Hill.“ (ist eine sehr lustige Komikerin)
Ich fühle mich sowas von geehrt, schließlich hat sie es so laut gesagt, dass auch der Kassierer und die hinter uns stehenden davon überzeugt sein könnten. Ich festige das Kompliment und sage: „Ja, die ist doch cool!“
Meine Tochter: „Ja Mama, aber DIE ist im Fernsehen!“
Tag 75
Und plötzlich
… ist es so, dass die Kinder ihr Essen selbst zubereiten können, dass sie Grundsatzdiskussionen führen, man sie auf dem Feld Mopped fahren lässt, man mit ihnen Gespräche auf Augenhöhe führt.
Dass sie den Genitiv drauf haben und einem Mathe erklären.
Das passiert ungefähr dann, wenn der eigene Hintern nicht mehr in die Spielplatzschaukel passt, einem aufm Karussell schlecht wird, man die neuesten Musiker nicht mehr kennt, über Krankheiten redet und über Waschmittel philosophiert.
Es ist kein bestimmter Tag und irgendwie ist man überrascht.
Ist es ein Prozess, aber plötzlich ist es da und ich stelle fest:
Jetzt bin ich dort, wo ich früher immer nur aus der Ferne hingesehen habe, es doch so weit weg schien.
Ich bin in der Mitte meines Lebens.
Tag 74
Liegewiese
Ich liege unter´m Baum am See.
Das Sonnenlicht bricht sich durch die Blätter seinen Weg.
Die vielen verschiedenen Stimmen ergeben einen monotonen Gesang ohne Melodie.
Weiße, untrainierte Körper sind zu sehen in allen Formen.
Irgendwie ein Trost. Irgendwie auch nicht.
Leute mit schlechter Körperhaltung schlendern durchs flache Wasser und schnell drücke ich mein Rückrad gerade, damit ich nicht zu „ihnen“ gehöre.
Auf Decken wird gepicknickt, Kinder gerufen, Schuhe gesucht, Buddelzeug beschafft, umständlich umgekleidet, mit Wasser gespritzt, das Paddel vom Gummiboot abgebrochen, Ball gespielt und sogar geschlafen.
Es riecht nach See, Bier, Pizza, Currywurst und manchmal nach Sonnencreme.
Neben mir wird der Vater Kaffee holen geschickt. Die Mutter wünscht sich Café crema.
Das etwa 4-jährige Kind zieht mit dem Papa los und stellt fest: „also Creme ist doch so weiß und dick und für die Haut. Wozu braucht denn der Kaffee die Creme?“
Seine Antwort darauf bleibt mir verborgen.
Kinder weinen, lachen laut, Eltern spielen Sprungturm für ihre Zöglinge und die ganze Zeit frage ich mich, wem die Decke und das darauf liegende Buch mit dem Titel: „Auf sie mit Gebrüll“ neben mir gehören.
Wasserpistolen werden geladen, mit nacktem Po die Rutsche gerutscht, das gibt dann so ein Geräusch. Eine Mischung aus überstrapazierter Haut und leichter Verbrennung.
So.
So klingt der Sommer.
Tag 73
Verkehr(✝️)
Ich fahre mit drei Kindern auf der Rückbank auf einer Landstraße mit 74 km/h, erlaubt sind 70.
Hinter mir Autos, vor mir auch.
Die Sonne scheint, die Stimmung ist sehr heiter.
Ich sehe im Rückspiegel, dass das 3.Auto hinter mir zum Überholen ansetzt.
Ich kann es nicht fassen!
Er fährt viel zu schnell, und seine Strecke zieht sich immer länger.
Der feine Herr Wasisteinlebenwert hat sich schließlich vorgenommen, seine drei "Vorfahrer", also inklusive uns, einzuholen.
Eine Kurve kommt uns näher und plötzlich auch ein Auto auf der Gegenspur. Kurze Situationsbeschreibung:
Ich fahre mit ca 70 km/h auf eine Kurve zu, direkt neben mir, auf Augenhöhe der Wahnsinnige. Vor und hinter mir Jemand, ich spüre förmlich das Entsetzen aller Beteiligten.
Ich entscheide mich innerhalb einer 100stel Sekunde so weit runterzubremsen, dass mein Hintermann nicht auffährt, ich aber den Überholer vor mich lassen kann, weil er direkt auf eine Kollision auf der Gegenspur zusteuert.
Er schafft es grade noch sich vor mich zu schieben, dem Fahrer des Kfz´s, das uns entgegenkommt, sieht man sein Entsetzen an, unterlegt mit Lichthupe, saust er an uns vorbei.
Ich schreie diverse Ausdrücke an meine Windschutzscheibe, vergebens prallen sie ab und landen natürlich direkt in den durstigen Ohren der Kinder.
Hinter mir fröhliche und lachende Wortwechsel.
Ich bin im Schock, erleichtert und so furchtbar wütend und die Anwesenheit meiner Insassen verlockt mich, diese krasse Situation auswerten zu wollen.
Ich merke aber, viel zu wenig Entsetzen bei meinen Zuhörern und viel zu viel Wut in mir, um das mit nach Hause zu nehmen.
Er ist noch direkt vor mir und ich würde ihm am liebsten wie Spiderman aufs Dach springen und ihn zur Fahrertür hinaus an seinen Juwelen ziehen und durch die Luft schleudern.
Wir fahren in den nächsten Ort hinein und er blinkt, um auf einen Getränkemarktparkplatz zu fahren. Yes! Du gehörst mir!
Ich folge ihm wie Michael Knight, flink und präzise in eine Parklücke und verlasse meinen Wagen mit den Worten: “Ihr bleibt hier!“
Es fühlt sich an wie in einem Film, ich stapfe entschieden und zielstrebig (natürlich in Zeitlupe) auf das mit zwei Mann besetzte Auto zu und ich merke wie das eifrige Treiben vor dem Getränkemarkt pausiert um zu verfolgen was nun geschieht.
Das Fenster des Beifahrers ist geöffnet und ich stecke meinen Kopf in den "Sarg auf Rädern", zeige auf mein Auto und brülle:
„Ich habe da DREI KINDER drin! Wenn Du keine Lust mehr auf Dein Leben hast, dann erledige das OHNE BETEILIGTE!
Wenn ich nicht so schnell gebremst hätte, würdet ihr jetzt nicht hier sitzen!“
Seine Reaktion war mir fast egal, weil ich meinem Entsetzen Raum gegeben habe.
Er reagiert und sagt: „Das stimmt, das war blöd von mir. Bitte entschuldigen Sie.“
Ok. Ich glaube es ihm. Unterstelle ihm sogar eine gewisse Reue in seinen Augen.
„Das machst Du NIE WIEDER!“ beende ich unser „Gespräch“.
Bevor ich mich abwende, macht er eine betende Geste und ist kleinlaut.
Ich gehe zurück zu meinem Auto und spüre Blicke von den Leuten an Ihren geöffneten Kofferräumen und beladenen Einkaufswagen.
Uns hat anscheinend eine Aura der Aufmerksamkeit umgeben.
Ich fahre vom Parkplatz, werfe dem "Lebensmüden" nachdrücklich einen so ernsten Blick zu, dass ich mich fast vor mir selbst erschrocken hätte.
Tja, der Führerschein setzt weder einen Intelligenz- noch Charakter- oder Risikobereitschaftstest voraus.
Warum eigentlich nicht?
Tag 72
Die Selbstverständlichkeit des Seins
Da bin ich wieder. Na klar, und irgendwie nicht.
Wünscht man einander: „Gute Nacht“, „Guten Tag“, „Gute Reise“, Herzlichen Glückwunsch, oder "Alles Gute", aber nie: „Schön, dass du noch lebst!“,
„Wir sind wieder aufgewacht!“, oder „Toll, dass wir noch einen weiteren Tag haben!“
Wären wir uns jeden Tag darüber im Klaren, dass das Leben jederzeit zu Ende sein könnte, wären wir vermutlich in einem Zustand aus Angst, der inneren Abschiede und ohne jeglicher Zuversicht.
Müssen wir es doch verdrängen, damit wir einen Sinn in unseren Investitionen und Fortpflanzungen sehen.
Kennt Ihr Sätze wie:“ Hätte mir Jemand vor zwei Jahren gesagt…….dann hätte ich ihn für verrückt erklärt.“
Diese Sätze beschreiben eigentlich am besten, wie unflexibel und starr wir unsere Lebensplanungen vollziehen.
Ob Pandemien, Partnerwechsel, Trennungen, Schwangerschaften, Tode, Krankheiten, Umzüge oder Konversionen, das alles hat in unserem Leben nur vorgesehen Platz, wenn überhaupt. Bitte nicht plötzlich, und schon gar nicht fremdverschuldet.
Wie schockiert wir immer wieder sind über die Formen und Farben des Lebens.
Können wir uns nur freuen laufen zu können, wenn wir einen Rollstuhlfahrer sehen?
Können wir Frieden nur schätzen, wenn im Fernsehen Bomben explodieren, können wir uns nur um unsere Beziehungen kümmern, wenn Nachbarn sich trennen und der Rosenkrieg beginnt?
Müssen wir stets vor Augen gehalten bekommen, dass es ganz anders sein könnte? Um unsere Wunschliste des Lebens mal zu überarbeiten und zu relativieren?
Lasst uns etwas Abstand gewinnen, uns von weiter weg betrachten.
Tag 71
Grabrede vorgezogen
Da mir niemand einfällt, der besser über mein Leben resümieren könnte, als ich selbst, möchte ich für den entscheidenden Tag Folgendes festhalten:
Ich bereue sehr wenig, das was ich bereue, habe ich inzwischen entschuldigt oder besprochen.
Ich durfte so viele liebenswerte, kluge und authentische Menschen kennenlernen, mit ihnen einen kurzen Rock´n Roll tanzen, nur mal an ihnen vorbeischwofen oder mit ihnen an Tanzmarathons teilnehmen und sogar gewinnen.
Ich habe so viel leidenschaftliche, humorvolle und bezaubernde Leute auf dem Parkett gefunden, erlebt und mit ihnen meine Lebenszeit geteilt.
Jeden, den ich begleiten durfte, habe ich geschätzt und auch wenn ich mal die Haltung verlor, gab es immer einen Lehrer oder eine Lehrerin, die mir eine Stunde Nachhilfe geben konnten.
Ich durfte Gänsehaut erleben, weil ich so gerührt war, dass die Empfindungen sich so überschlugen.
Ich konnte Nächte am Strand sitzen und Gespräche führen, bis es hell wurde.
Ich habe so viel gelacht, dass jede Falte in meinem Gesicht als Zeitzeuge dieser Erinnerung dient.
Ich habe mich gegruselt und durfte mich dabei in warme Arme retten.
Ich durfte Lachanfälle haben, bei denen mir die Tränen liefen und ich früher aus dem Unterricht flog oder oder ich heute fast mit dem Stuhl zusammenbreche.
Ich durfte so herrliche Düfte riechen, bunte Farben sehen, schöne Klänge hören und faszinierende Geschmäcke genießen.
Ich konnte Katzenbabies streicheln, Kühe melken, mit Hunden über Wiesen rennen, Schmetterlinge auf meinen Fingern tragen und Amseln um deren Stimme bewundern.
Ich hinterlasse drei so zauberhafte, lustige und lebensfrohe Kinder und gebe ihnen so viel wie möglich und so wenig wie nötig mit in ihre Leben.
Ich war tieftraurig und überglücklich und nur durch diese beiden Zustände ermöglichte ich mir eine Bereicherung, die Vielen verborgen bleibt.
Ich habe in Chören gesungen, in Gruppen getanzt, habe Bilder gemalt und auch Blätter beschrieben.
Ich habe zugehört, Rat erteilt, in Frage gestellt, gezweifelt, bewundert, überwunden, überstanden und erklärt.
Ich konnte immer vertrauen und wusste auch immer welche Nummer ich anrufen kann, wenn sich der sichere Deckel meiner Lebenskäseglocke hob und alles verloren schien.
Ich habe Türen geknallt, rumgebrüllt, bin wütend rausgerannt und wollte verletzen.
Aber nie wollte ich Fundamente zerstören, Freunde verärgern, meine Mama belügen oder Jemanden hintergehen.
Ich wünsche denen, die sich hier um mich versammeln, dass sie den Platz für mich in ihren Herzen finden, wo ich bequem und friedlich bleiben kann.
Danke.
Tag 70
Veronas Not
Gestern bin ich bei einem Ausschnitt einer Talkshow hängengeblieben.
Da saß Verona Pooth mit Ihrem Sohn und berichtet über das Familienleben.
Inhaltlich (sofern es einen gab) bieb bei mir kaum etwas hängen, weil ich so fasziniert war.
Von Ihrem Gesicht. Ich konnte es kaum fassen, so verstellt und zugeklebt sah sie aus und ich frage mich, ob es keinen in Ihrem Leben gab, der sie so sehr liebt, dass er sie davon abhalten konnte.
Der Kopf war ein reinstes Botox/Hyaloronsammelbecken und von Mimik keine Spur.
Ich finde derartige Behandlungen, sind ein Zugeständnis. Jede unterspritzte Falte, jede begradigte Nase, jedes abgesaugte Fettgramm und jedes Lifting sagen:
„Ich habe es nicht geschafft!“
Ich habe es nicht geschafft, bei mir zu bleiben. Mich von außen nicht werten zu lassen und wollte mir meine Zuversicht und Fülle für mein
Leben erkaufen.
Der Effekt ist dann nur, dass diese Bearbeitung des Äußeren so wenig oder weniger denn je im Inneren füllt.
Es macht mich traurig.
Und sehe ich dann die jungen Mädels mit Plastiknägeln, Haarextensions und Klebewimpern nach dem Motto: "mehr ist mehr!" dann fühle ich Schuld.
Die Schuld einer Generation, die es nicht schafft, heranwachsenden Frauen zu zeigen, dass Haare unter den Armen, dünne Fingernägel oder kurze Wimpern doch keine Gleichstellung mit den Verlierern unserer Gesellschaft darstellen.
Die Verlierer sind die, die ihnen vorleben als ginge es nur um Ideale, Künstlichkeit und Perfektion, was die Natur einfach nicht vorgesehen hat.
Es ist ein großer Trugschluss und stelle ich mir vor, ich läge auf meinem Sterbebett, möchte ich zurückdenken auf mein Leben blickend und nicht bereuen, wie viel Zeit ich damit verbracht habe, mit meinem Äußeren unglücklich gewesen zu sein.
Kann das nicht ein neues Lehrfach sein? Mit dem, was einen ausmacht im Reinen sein und den Fokus auf den inneren Reichtum eines Jeden lenken?
Einfach Mensch sein, sich nicht vergleichbar machen.
Das hätte der Verona gut getan.
Und hat sie tatsächlich Apfel gesagt, was aber wie Affel klingt, weil sich Ihre Oberlippe nicht mehr so schließt, wie es ein Logopäde wünschen würde?
Ich möchte sie in den Arm nehmen….nein doch nicht… ich möchte ihr aber sagen: Hättest Du nicht so viele Eingeständnisse gemacht, wärst Du so viel schöner.
Tag 69
Die Powerbeiter
Die Bauarbeiter haben ein Kabel beschädigt und es gibt einen Stromausfall. So lautet die Nachricht, des kleinen baulhosigen Mannes an meiner Haustür am Morgen.
Es rattert im Kopf, wie verhängnisvoll ist das? Läuft die Waschmaschine? Taut der Kühlschrank ab?
Ich werde nicht arbeiten können, jedenfalls nicht auf Internetbasis, mein Mann auch nicht.
Schnell wird der minutiös geplante Tagesablauf über den Haufen geworfen.
Ok. Dann gehe ich mit den Kindern schön Frühstücken und wir genießen den Tag ohne Elektroenergie.
Wieder zurück zu Hause, alle gehen in den Garten und reduzieren sich auf das zuverlässige 3G des Handys und lauschen den Klängen der Straßenarbeiten.
Takkkkktakkkktakkkk, ich nehme an, es ist ne Rüttelplatte, biep biep biep, irgendetwas fährt rückwärts. Männerrufe. Ruhe. Yeahhhh! Auch fleißige Bauarbeiter müssen mal Mittag essen. Rattttattttattttttttattttt ein neues Geräusch kommt in das Orchester. Es spielt ein Solo, meine Fresse, das ist aber präsent. Ratttattttattttttttt, man versteht seine eigenen Gedanken kaum.
Sollte ich ins Haus gehen? Nein, da wird mir zu sehr vor Augen geführt, wie abhängig ich von der Elektrizität bin. Ratttattttrattt.
Ich gehe doch rein, mein Handy hat noch 7 %.
Ich suche nach den mindestens 5 unterschiedlichen Powerbanks, die in Schubladen liegen und natürlich fast nie genutzt werden. Die erste, die zweite, die…keine ist aufgeladen. Ich suche das passende Kabel und bin mit Stolz erfüllt, als ich es gleich finde, stecke es in die…achso...ja kein Strom.
Ha ha, bin ich blöd.
Dann ähm nehme ich mir ein Buch und setze mich wieder raus und lese, das sieht in meiner Vorstellung toll aus. Und vorher mach ich mir noch n Kaffee…ach nein, einen Tee? Ich will es einfach nicht kapieren.
Ich sage es laut auf walisch: ES GIIIIIIIIIBT KAAAAEINEN STROOOOOM IN DIIIIIIESEMMMM HAUUUUS!
Einprägsamer geht es nicht.
Ich fahre mich runter und lese ein Buch.
Ratttattttrkkkkkkkkdüdüdüdüdüttttttt. Es erklingen alle Instrumente gleichzeitig in einer Symphonie des Grauens. Der Dirigent muss taub sein.
Ich sehe mich abends auf dem Campingkocher die Dosennudeln zubereiten und danach ums Feuer tanzen, die Beton - Asphalt- und Kabelgötter für den nächsten Tag um Gnade bitten.
"Humba humba Ratttatttattttatttttttaddd."
Tag 68
Zwangsmacken in Zwangsjacken
Es gibt ja so Sachen, da denk ich mir, dass es nur mir so geht. Zum Beispiel mit Zwängen oder Angewohnheiten, die nicht dolle sinnvoll sind.
Unterhalte ich mich aber mit anderen Menschen darüber, wird offensichtlich, dass ich doch nicht ganz allein damit bin.
Zum Beispiel muss der Badläufer immer mit gerader Kante zum Waschbecken liegen. Oder wenn es schlimm ist, versuche ich nicht auf Striche (Fugen) zu laufen, wenn ich auf dem Gehweg bin.
Eine Zeit lang konnte ich nicht über Gullideckel gehen oder musste wenn Leute neben mir geniest haben die Luft anhalten. (zur Zeit sowieso)
Am anstrengensten war die Phase, wo ich beim betreten eines Treppenhauses eine bestimmte Stufenanzahl schaffen musste, bevor die Eingangstür ins Schloss fällt. Tür weit aufstoßen und zwei Stufen zugleich hochspringen.
Das hat besonders lange angehalten und ich kann gar nicht sagen, wie oft ich mich dabei hingemault habe.
Wenn ich ein Buch lese und darin eine Mimik genau beschrieben wird, verzieht sich mein Gesicht um es nachzustellen.
Darum lese ich in der Öffentlichkeit keine Bücher.
Wenn ich einschlafe, muss es eine ganz bestimmte Position sein und wenn ich aufstehe muss der linke Fuss zuerst auf den Boden kommen.
Vielleicht sind es Macken, oder der Versuch eine Gewohnheit, etwas Festes zu schaffen, aus dem ich Absehbares schöpfe.
Auf der Abbiegerspur stehen und den gleichen Blinker-Takt wie den des Vordermanns finden, kommt nur noch selten vor. Das ist eine der schwierigeren Angelegenheiten gewesen.
Tag 67
Neue Felle
Vor 3 Jahren an Halloween, dieses Fest mag ich so gar nicht und leider kann ich es nicht gut verbergen, aber seitdem ich Kinder habe, muss ich mich jedes Jahr neu zusammenreißen, die klingelnden Kleinen nicht zu ignorieren oder mit ihnen keine Diskussion anzufangen, ob sie denn wüssten was Halloween eigentlich ist und es keine Belohnung für einen aufgesagten Reim sein kann, Zucker zu verteilen…
Also sorge ich auch für etwas Vorrat.
So war es auch vor 3 Jahren. Draußen war es schon dunkel und man vernahm in kurzen Abständen taschenlampengeführte Rudel von Verkleideten.
Dingdong! Dingdong!
Ich gehe zur Tür und… nichts.
Es ist keiner da. Doch!
Auf dem Fußabtreter sitzt eine Katze! Krass, die hat geklingelt!
Nein, ich höre Stimmen vor unserer Einfahrt, man habe sich nicht gewagt einfach durchzulaufen und blieb am Gartentor stehen, erklärte der gruselig maskierte Vater der muntren Gruppe.
Ich rufe sie sollen ruhig durchkommen.
Ich sehe die Katze an. Die sitzt immer noch vor mir und guckt mich mit einer Gelassenheit an und ich kann in ihren Augen lesen: Kann ich jetzt mal hier rein? Ich warte immer noch auf deine Aufforderung!
Die Traube schwarz gekleideter und angemalter Kinder nähert sich uns und sagt einen viel zu kurzen, nicht aufwändig zu lernenden Reim auf und hält die Beutel ausgestreckt in meine Richtung.
Ich werfe irgendetwas hinein und sie ziehen weiter.
Der Blick des Tieres wird vorwurfsvoller.
Ich rufe meinen Mann. „Hier sitzt ne Katze!“
Ich mache langsam die Tür zu und habe Mitleid.
Mein Mann hat da eine starke Katzenhaarallergie, kam für mich Kontakt zum Tier nicht in Frage.
Der Abend füllte sich mit viel Geklingel, Versen, Reimen, einfach hingehaltenen Tüten und der immer wieder dasitzenden Mietze.
Vom Reden, zum Streicheln, kurz mal ins Haus lassen, rauslassen, im Kühlschrank nach Essbarem suchen, streicheln, immer länger reinlassen und letztendlich sitz ich mit dem Kätzlein auf Schoß auf dem Sofa. Als würde ich ihr schon lange gehören.
Es stellte sich heraus, dass es ein 4 jähriger Kater aus einer Trennung war und nun den ehemaligen Besitzern „zurückgebracht“ wurde. (was für eine Idee eigentlich… oh man) Diese können ihn aber nur draußen halten, weil er sich mit den anderen Tieren nicht verträgt.
Also wohnt er zwischen den Häusern und wurde immer zutraulicher und ich gewährte ihm immer wieder Eintritt.
Mein Mann war sehr skeptisch, je länger der Kater sich im Haus aufhielt. Zu Recht, schließlich hatten wir weder Futter noch Katzenklo.
„Und dann pinkelt er uns aufs Sofa!“ mutmaßt der Ehemann.
Es vergehen 2-3 Wochen und Tier und Mensch lernen sich kennen.
Eines Tages suchte ich ihn im Haus und ich traute meinen Augen nicht.
Ich entdeckte ihn im Bad. In der leeren Badewanne. Hockte der Kater und zielte genau in den Abfluss und pinkelte.
Hier kürze ich ab. Das war seine bestandene Aufnahmeprüfung und wir haben ihn integriert und adopTIERt.
Das mit der Badewanne war nur das eine Mal, inzwischen geht er nachbarlich draußen aufs Örtchen.
Ein Sprichwort sagt: Katzen suchen sich ihre Menschen.
Tag 66
Die Baustelle
Die Bauarbeiter können mir helfen den richtigen BH für den Tag auszuwählen, so nah ist die Baustelle heute.
Da bin ich doch ganz schön deutsch und ziehe die Fenster zu, damit die Auswahl doch nur bei mir liegt.
Wer weiß, dann fangen sie noch an zu streiten, sind sich nicht einig. Möchte der Michael lieber den Casual Look und Steven lieber das aufreizendere Modell.
Dann stehen sie neben meinem Haus und diskutieren so laut, dass die Nachbarn schon aus ihren Fenstern gucken und es kommt zum Gerangel und zur Schlägerei. Meine Zwischenrufe, ich könne ja heute den einen und morgen den anderen tragen, werden durch Fausthiebe und Magentritte einfach übertönt.
Mein Mann kommt dann angelaufen und wundert sich über dieses Geschrei vor unserem Haus, dann wundert er sich, dass ich noch nichts anhabe und und und…
Also lieber schön alles zuziehen und allein anziehen.
P.S. Da fällt mir ein, eine Frage an die Frauen unter Euch.
Habt Ihr auch schonmal gedacht, an einem Tag, an dem ihr die eher praktische und vielleicht unschönere Unterwäsche anzieht: „Wenn ich heute einen Unfall habe und es zu Wiederbelebungsversuchen kommt und man dann Eure Unterwäsche sieht, die nicht zusammenpasst….
Naja, vielleicht sollte ich für den Fall der Fälle immer gut vorbereitet sein.
Tag 65
Fiiiiiiiep
Was ist das? Dieses Geräusch! Es ist so seltsam. Aber es kommt mir bekannt vor. Das hat einen Namen, dieses seltene Phänomen. Bin kurz davor zu googeln, aber dann fällt es mir ein! Es heisst: Stille.
Der Ehemann liegt krank im Bett und die Kinder sind mit zur Oma gefahren und übernachten da. Das bedeutet, Leute, ich habe Kinderfrei!
Es ist unfassbar. Es muss Ewigkeiten her sein, dass ich mal ähm...dieses..Dings..äh…ah, allein war.
Sogar über Nacht!
Ich mache eine Liste mit Dingen, die ich in der gewonnen Zeit machen möchte:
Buch lesen, malen, eine neue Küche kaufen, endlich mal durchwischen ohne Tapsen, Sprachen lernen, mich mit Freunden treffen und ja, vielleicht spazieren gehen.
Dieser Zustand ist jetzt seit 20 Minuten so und mit fällt plötzlich was auf.
Ich bin gar nicht allein. ICH bin ja auch noch da!
Das habe ich ganz vergessen und es ist mir fast unangenehm, weil ich ein bisschen vergessen habe, wie ich zu mir bin und was ich mit mir so mache.
Ich stapfe durch den Garten und niemand unterbricht meine Gedanken. Ich kann weiter und größer denken und bekomme leichten Auftrieb
au watte, wohin mit der Energie?
Ich überfliege meine Liste, ich streiche die zu teuren, zu aufwändigen und unwichtigen Dinge.
Ich schreibe eine neue:
Geschirrspüler ausräumen und eine neue Serie beginnen mit Geleebananen zum Dessert.
Ich sage Euch, wer es nicht versteht…MIR reicht es vollkommen.
Fiiiiiiiiep!
Tag 64
Beziehungsweise
In diesen Zeiten als Paar in den Baumarkt gehen, ist wie ein Partnerschaftstest. Was früher 1 Woche Ruderurlaub war, ist heute der gemeinsame Gang in die Höhlen der Baustoffe, Holz- und Elektroabteilungen.
Es wird beim Parken schonmal nach dem Einkaufswagenchip gekramt. „Hast du einen?“ „Nee, du?“…das ist auch sone Sache für sich. Besitzt doch jeder so einen Chip, nur dass er immer da ist, wo er am besten getarnt ist, oder?
Die große Erleichterung dann doch noch ein 50 Cent Stück gefunden zu haben, am Boden der Handtasche, tief tief im Rachen des weiblichen Besitzes. Dort, wo gefährliche und über Jahre gezüchtete seltene Wesen leben, die sich aus Staub, Krümeln und Makeupbröseln zu einem Wächter der Handtasche geformt haben.
Ich weiche ab, jedenfalls werden die Waffen neu geladen, noch einmal ganz tief Luft geholt, damit das mit dem Apnoe auch gut klappt.
Mundschutz auf.
Bums, fliegen die Autotüren, ein Wagen wird organisiert, sich vor dem Griff geekelt, und abtauchen in die Hallen des Bob.
Es gibt eine ganz klare und stille Rollenverteilung. Bonnie nimmt den Wagen und Clyde regelt den Verkehr. Bedrohend nahekommende Einkäufer werden mit Schleichwegen umgangen und als wüsste man, wo man hin muss, nimmt die Fahrt eine Geschwindigkeit auf, dass der Bremsweg unbedingt mit eingerechnet werden muss.
Das Ziel dann erreicht, schnaufend und das soeben Erlebte erstmal verdauen und dann etwas ratlos vor dem gesuchten Regal stehen.
Bonnie weiß genau, hinsetzen wird sich lohnen, schließlich muss Clyde denken.
Er denkt, redet, denkt, redet, denkt, fragt, denkt und Ruhe.
Das ist die Stelle, die jeder Mann gern mit allem zu umgehen versucht, die Frau allerdings mühelos und offen damit zurecht kommt: einen Baumarktmitarbeiter um Hilfe fragen.
Ein kurzes Gespräch, das leider nicht viel weiterbringt. Das Hände in die Hüfte stemmen kann das lange Stehen nicht mehr ausgleichen.
Jetzt heißt es ruhig und besonnen sein.
Nach rechts und links sehen um die Maske zu lockern, damit man wie unter Wasser mal kurz an der Sauerstoffflasche nippen kann.
Eine Entscheidung ist gefallen.
Mit der ausgewählten Ware im Korb, die das Labyrinth noch schwerer passierbar macht, steuert man dann auf die Kassen zu.
Clyde kennt nix und schiebt fremde im Weg stehende Dinge beiseite und sorgt für eine Pausenlose Fahrt.
Alle Kassen mit langen Schlangen versehen, nur die Expresskäufe sind überschaubarer.
Bei dieser Art zu Bezahlen (ist eine Verkäuferin mit strengem Blick ganz in der Nähe), beschleicht mich immer das Bedürfnis mit erhobenen Händen und vorführenden leeren Jacken- und Hosentaschen, für eine Befragung bereit zu stehen.
Alles ist durchgepiepst und die Zahlung klappt ohne Komplikationen.
Durch den Ausgang zum Auto und den Wagen endlich in die kontaminierte Reihe seiner Leidensgenossen gerammelt.
Die 50 Cent werden natürlich nicht fürs nächste Mal extra gepackt, alles ist nun egal und schwups, landen sie da, wo auch schon zwei Einkaufschips ihr Lager aufgeschlagen haben.
Clyde sagt: „Haben wir gut gemacht!“ Und Bonnie lächelt und sagt: „Alle 3 Minuten verliert sich ein Suchender im Baumarkt. Wir brauchen keine Paarschüppen! Wir haben uns.“
Tag 63
Ich hätte gern jeden Tag Geburtstag!
Ich würde mich gern jeden Tag besonders fühlen.
Besonders geehrt, besonders ich.
Tage gibt es, sie schreien mir ins Gesicht: du bist es nicht!
Ich bin es nicht.
Ich hätte gern jeden Tag Hochzeit!
Ich würde mich gern jeden Tag besonders fühlen. Besonders geliebt, besonders ich.
Zeiten, gibt es, sie schreien mir ins Gesicht: du bist es nicht!
Ich bin es nicht.
Ich hätte gern jeden Tag Ostern.
Ich würde mich gern jeden Tag besonders fühlen. Besonders entdeckt, besonders ich.
Momente gibt es, sie schreien mir ins Gesicht: du bist es nicht!
Ich bin es nicht.
Ich hätte gern jeden Tag Heiligabend!
Ich würde mich gern jeden Tag besonders fühlen. Besonders besinnlich. Besonders ich.
Nächte gibt es, sie schreien mir ins Gesicht: du bist es nicht!
Ich bin es nicht.
Ich heirate mich selbst und feiere mit mir, dann brauch ich niemand anderen dafür.
Ich verstecke mich und finde mich auch, besonders gut, so wird mein Brauch.
So wird es gut, so wird es fein.
Möchtest du dein Lieblingsmensch sein?
Tag 62
Die Ironie des Internets
Leute, ist es nicht verrückt, wie wir das Internet nutzen?
Zum einen werden Bilder in schönster Pose und herrlichstem Licht hochgeladen und zur Schau gestellt, bis des Betrachters Mund vor Neid offen steht.
Die ansprechendsten Seiten werden gezeigt und ein WunschEgo vorgestellt, als gäbe es eine Prämie für den perfektesten Menschen.
Zum anderen wird eifrig im Stillen nach Intimkrankheiten, Leidensgenossen bei Schicksalsschlägen oder nach Beratungen bei untreuen Ehepartnern gesucht.
Wir sind alle so gleichermaßen zerbrechliche Geschöpfe auf der Suche nach Bestätigung und Liebe.
Trotzdem steht die Oberfläche ständig im Vordergrund.
Lässt man sich von Folgevideos auf Facebook im Watchbereich einsaugen und merkt kaum, dass und wie die Zeit vergeht. Müsste man für sowas Geld bezahlen, würden wir definitiv weniger Unwichtiges sehen.
Oder stelle man sich mal vor, die Fotos, die man ins Netz stellt, würde man stattdessen telefonisch den Leuten berichten, die einem Folgen. Also würden man dann die Friseurin oder die Bekannte einer Freundin oder die Mutter eines Mitschülers anrufen und sagen: „Du. Ich saß heute mit einer Katze auf der Hollywoodschaukel und in dem Licht sah ich richtig gut aus!“
So intim, unsere Einblicke immer scheinen wie fremde Babys, fremde Wohnungen, fremde Kochkünste, so trügerisch können sie doch sein.
Der erfolgreiche Künstler postet die jubelnde Menge, er die Bühne einnehmend, keiner wird sehen wie einsam das Hotelzimmer ihn dann empfängt und er ohne Sex, Drugs oder Rock ´n Roll ins Bett geht.
Oder der Influencer, wie muss es wohl sein, mit diesem Menschen eine Beziehung zu führen? Ununterbrochen nach schönen Hintergründen schauend, die Kleidung nach Beliebtheit wählend und der Blick mehr ins Handy, als in die Augen seines Gegenübers?
Es scheint eine vergebliche Suche nach Aufmerksamkeit, Anerkennung und Trost um nicht die leeren Stellen in sich selbst spüren und füllen zu müssen.
Sind die schönsten Momente nicht die, die man nicht fotografieren kann?
Tag 61
Ebay-Welten
Ich treffe mit meinem Sohn eine Interessentin für Sammelkarten, die Frau besteht (zu Recht) darauf, diese vorher zu sehen, um die Echtheit einzuschätzen zu können. Da sie sich auch für einen reingestellten Wecker interessiert, biete ich an, sich in ihrer Wohngegend zu treffen.
Es geht ein reger Nachrichtenaustausch voraus und ob ich will oder nicht, bastelt sich mein Gehirn eine Figur zusammen. Ein Bild mit Aussehen, Bildungsstand, Alter und Charakterzügen wird immer präziser.
Dass wir uns im Märkischen Viertel treffen, macht es mir sichtlich schwer an eine studierte Professorin zu denken. Ich kämpfe mit Vorurteilen und werde Schiedsrichter eines Kampfes innerhalb meines Selbst.
Da die Frau sehr ausführlich, sympathisch und geduldig schreibt und sie sehr verständnisvoll reagiert, als wir auf der Hälfte des Weges feststellen, den Wecker vergessen zu haben und uns dadurch verspäten, gehe ich von einer liebevollen Mutter aus, um die 50, die wiederum für ihren Sohn die Karten und den Wecker erstehen möchte.
Wir laufen, nach der Frau suchend, durch die Märkischen Passagen und steuern dann direkt auf sie zu. Man sieht trotz Mundschutz, dass sie lächelt und ich winke ihr freudig (und erleichtert, nicht länger dort mit Kind rumirren zu müssen) zur Erkennung zu.
Wir zeigen Ihr die Karten, ein paar davon möchte sie gern kaufen und bedankt sich nochmal für die Mühe extra "angereist" zu sein.
Obwohl es nur ein paar Minuten waren, hatte ich das Gefühl mehr in Ihr zu lesen, als mir lieb war.
Ich schätze sie auf 24, alleinwohnend, eine Leidenschaft zum Sammeln (wie sie sich fast „erklärte“) und ich sehe geheilte, ältere und frische Wunden auf ihren Unterarmen, die mein kurzer Einblick als Selbstverletzungen deutet. Ich kann direkt bis in Ihre Wohnung sehen, die Diddlmäuse auf dem Kopfkissen des Bettes sich tummeln um mehr Zuneigung und Wertschätzung zu versprühen. Vergebens. Ihre Einsamkeit springt mich förmlich an.
Obwohl es zwei fremde Leben sind, die da voreinander stehen, sind sie doch zu einem Moment vereint.
Was sie wohl von mir mitnimmt?
Ich glaube, dass unter wenig anderen Umständen so unterschiedliche Welten aufeinandertreffen, als bei Ebay. Nur weil einer etwas weggibt, was der andere sucht.
Sicher haben viele irgendeine lustige, sonderliche oder anders beeindruckende Ebay Begebenheit erlebt.
Oh Gott, mir fällt da gleich der Typ ein, der vor 11 Jahren meine beiden Hasen kaufen wollte und am Telefon fragte, ob sie schön dick seien und er es begründete mit: diese sollen doch für seinen Pittbull sein. AHHHHHH!
Kleine Anzeigen, große Geschichten.
Tag 60
Ommmmm
Leute, die sagen: „ich bin da völlig tiefenentspannt.“ meinen eigentlich:
„Ich habe das Gefühl, nichts kontrollieren zu können und wünsche mir in mir viel mehr Entspannung! Und damit man wenigstens denkt, dass ich diese in mir trage, sage ich es gern laut. Vielleicht glaube ich es mir wenigstens.“
Menschen, die also diesen Satz sagen, können nicht tiefenentspannt sein, wären sie es nämlich, müssten sie mit Worten keinen darauf aufmerksam zu machen.
Tag 59
Falls jemand grad im Baumarkt ist, kann er mir eine Fassung mitbringen?
Ich habe meine nämlich grad wieder verloren.
Führe ich mir vor Augen, dass Freizeitparks und Freibäder öffnen, aber mein Sohn ab Juni für 4 Stunden pro Woche in die Kita darf nach ganzen 11 WOCHEN! Ey da kann ich nur ins selbe Horn blasen, wie schon so viele.
Was ist da los? Warum werden die Familien so dermaßen im Stich gelassen?
Mir geht es ja nicht mal um die Überforderung im Homeschooling und im Zuhausesein, aber mir geht es um mein Kind, das sich auch in 11 Wochen weiterentwickelt und Bedürfnisse hat und soziale Kontakte seines Alters braucht.
Fällt es uns Erwachsenen ja schon schwer diese Situation so hinzunehmen und zu akzeptieren, obwohl wir den Weitblick haben um es zu verstehen und den Freunden oder Kollegen in Videokonfis begegnen können. Was sollen da nur die Kinder sagen?
Es gibt so viel Widerstand zur Zeit, so viel Unmut und Verschwörung, dabei sind die tatsächlichen Verlierer die Kinder!
Deren Anwälte leider zu abgekämpft und müde sind um vor Gericht zu ziehen und sich für sie stark zu machen.
Ich leiste im Moment mehr als mir eigentlich möglich ist, das ist für mich ok und dank meiner wunderbaren Kinder halte ich es aus.
Aber dieses Gefühl, was da im Magen sitzt und wie heiße Luft in die Brust klettert um am liebsten im Feuerspeien zu gipfeln, das ist die Verantwortung. Sich für die Kinder und deren Rechte einzusetzen.
Doch muss ich jeden Abend neu erkennen, dass ich es wieder nicht geschafft habe, meine Robe anzuziehen um in den Gerichtssaal zu ziehen.
Es kommt mir vor, als wollen da sehr viele Eltern hin, schaffen manche sogar sich dafür zu kleiden und vorzubereiten, doch wird ihnen der Weg zum Gericht falsch angezeigt, oder sogar vorher gesagt: „die Sitzung wurde vertagt, Fussball und die Lufthansa waren wichtiger, bitte haben Sie Geduld!“
Ich verstehe es einfach nicht!
Mein Sohn war im März 1 Woche im Kontakt zu 40 Kindern, als er Covid-19 positiv war, diese Kinder haben jeweils mindesten zwei Erwachsene zu Hause, wenn nicht sogar noch Geschwister. Es gab keine Infektion, keine Ansteckung unter Ihnen.
Auch Infektionsketten aus Kitas sind mir nicht bekannt. Eher Clubs, Restaurant oder Veranstaltungen. Wie kann sich also die Lockerungskette dermaßen entgegengesetzt abbilden, wo zuletzt die Kitakinder in die regelmäßige Betreuung dürfen?
Aber Vergnügungsparks, natürlich beschränkt auf NUR 10.000 Besuchern, Freibäder, Bars und Restaurant öffnen, die Bundesliga startet, der Lufthansa werden Millionen in die Kraftstofftankrachen geblasen und weil Kinder ja so unkontrollierbar sind und sich nicht an Abstände halten können, sind sie das letzte Glied der Kette?
LEUTE, ICH HABE KEIN VERSTÄNDNIS!
Tag 58
Mitten in der Nacht rief uns alle das Reisebüro an und sagte, wir sollen das Nötigste packen, es wurde eine Reise gebucht.
Eine Art Rundreise durch unbekannte Gebiete und touristenferne, abgelegene Orte mit den unterschiedlichsten Verkehrsmitteln. Die einen dürfen mit dem Motorrad fahren, die anderen müssen zu Fuß gehen, die einen mit Kindern, die anderen allein. Junge, alte, gesunde, kranke, erfolgreiche und bedürftige Menschen und keiner weiß wohin es genau geht.
Und weil Niemand das Ziel kennt, ist die Reise jeden Moment wert.
Weil der Fokus wie noch nie zuvor auf jedem einzelnen Tag liegt und nicht, wie gewohnt auf dem Ziel.
Ich besinne mich aufs Neue auf die guten Seiten dieser Expedition, auf die Bindungen in der Familie auf die Verbindung zu den Freunden.
Hoffentlich findet Jeder für sich auch schöne ruhige Orte, an denen er noch nie zuvor war und entdeckt so zu genießen.
Zum Abschluss ein Zitat von G.K. Chesterton:
"Der Reisende sieht Dinge, die ihm unterwegs begegnen,
der Tourist sieht das, was er sich vorgenommen hat."
Tag 57
Ich bin sichtweise
Es ist alles eine Frage der Sichtweise. Oder?
Wenn ich hinter einem Auto fahre, das für die vorgegebene Geschwindigkeit zu langsam ist, kann ich denken: was für ein Idiot, hat er das Straßenschild nicht gesehen? Oder ist es wieder irgendein Opi der grundsätzlich 30 km/h fährt, egal in welcher Straße?
Oder ich könnte auch denken: vielleicht liegt seine Frau im sterben und er ist wahnsinnig traurig und in Gedanken gefangen. Folgt dem Straßenverlauf nur im Automatismus und registriert seine Umgebung vor lauter Schmerz gar nicht? Dann fahre ich ihm doch gerne geduldig hinterher, gebe ihm Rückendeckung und begleite ihn gern auf diesem kurzen Stück seines Lebens.
Tag 56
Ich bin ein Martini, ich bin gerührt.
Heute wohne ich im SentimenTal.
Ich habe meinen Kollegen eine E-Mail geschrieben, dass sie mir fehlen mit allem was uns ausmacht und sie antworten mir so aufrichtig und liebenswert, ich kann mein Glück nicht fassen.
Dafür bedanke ich mich heute beim Universum, dass ich in so ein wundervolles Unternehmen geplumpst bin mit den großartigsten Vorgesetzten und ich mir mit jedem Einzelnen einen Abend am Lagerfeuer vorstellen kann, weil sie alle so toll sind.
Mein Büro ist mein anderes Zuhause und ich freue mich auf die Zeit mit allen wieder dort zu sein und sich des Miteinanders noch mehr bewusst zu sein.
Gäbe es einen offiziellen ersten "normalen" Arbeitstag (den wird es ja nicht geben, da schrittweise gelockert wird), dann weiß ich, lass ich die Wimperntusche lieber im Schrank liegen, weil ich vor Freude weinen würde.
Das macht mich reich. Reich an mehr Familie und mehr Freunden!
FitX Family
Tag 55
Lieber Blog,
Ich möchte mich an dieser Stelle bei Dir bedanken. Einerseits bist du so ein guter Zuhörer und andererseits ein tolles Ventil für mich.
Es gibt Menschen, die behaupten, man müsse nicht sagen, dass man jemanden liebt, es reiche, wenn man es durch vielerlei anderes zeige.
Ich war zum Glück noch nie an so Jemandem gebunden, aber ich stelle es mir schrecklich vor. Sich damit abzufinden, dass man das nie in Worten durch die Ohren ins Herz gesagt bekommt.
Was will ich damit sagen, lieber Blog?
Ich möchte hier festhalten, dass ich sehr glücklich über diese Art meines Ausdrucks und die Chance den einen oder anderen zu erreichen bin.
DANKE.
Und trotzdem könntest Du auch mal nett zu mir sein und mich loben, wie schön ich Dich nutze.
Kommt es mir so vor, als verzehre ich mich nach Deiner Anerkennung und schwelge dauernd in Hoffnung.
Deine Lu
Tag 54
Ich stehe auf dem Parkplatz und sitze im Auto, ich schaue hoch in den Himmel und fühle mich versöhnt.
So mit der Welt, meinen Menschen und sogar mit denen, die es nicht verdient hätten.
Aber es gibt Tage, an denen ich mich für Unrechtes entschuldigen und Menschen umarmen möchte.
Ich trage so viel Liebe in mir.
Die Wolken ziehen schnell, der Wind scheint sie zu triezen, so flink sind sie. Trotzdem ist der Blick leicht und schwebend.
Alles ist gut.
Ich starte den Wagen, drehe den Kopf nach links und lese an einer Mauer:
„Anja du Hure!“
Tag 53
Die Bachelorette
Muss dringend meinen Vorgesetzten sprechen.
Ich konnte innerhalb der letzten 10 Wochen einen Bachelor in Geistes- und Sozialwissenschaften, Lehramt und Freie Kunst machen.
Master in Soziale Arbeit, in Projekt- und Personalmanagement noch dazu.
Auch Weiterbildungen in Kommunikationsstrategien und Methoden einer effektiven Gesprächsführung.
Wenn ich dann zurück an meinen Arbeitsplatz komme, wird sich eine Menge ändern.
Ich bin dermaßen überqualifiziert.
Vielleicht kann ich an dem ein oder anderen Stuhl sägen, oder einfach meinen eigenen Laden aufmachen. Ach nee, das hat sich gerade in der letzten Zeit nicht bewährt.
Ich bin offen für Positionen, die meiner würdig sind.
Hoch hinaus statt nur dabei.
Bin für niedere Dienste nicht mehr zu begeistern, nachdem ich die letzten Wochen so erfolgreich bestanden habe, muss ich mein neues Wissen auch unter den Rest der Leute bringen.
Man wird mir dankbar sein.
Tag 52
Normal oder wie?
Wenn mir „zurück zur Normalität“ begegnet, bin ich mir nicht sicher was das bedeutet.
Was heißt „normal“?
Eigentlich bedeutet das doch, etwas ist so, wie es beabsichtigt, nicht außerhalb der Reihe, gewollt und unauffällig oder gezielt absehbar, vorher wie nachher ist. Oder?
Wollen wir das?
Ich habe mit meiner Wahl an Wohnort, Ehemann, Wohnraum und Arbeitgeber das realisiert, was meine Lebensziele und Zufriedenheit beinhaltet.
Natürlich hat sich manches ergeben, gefunden oder gar erlöst. Trotzdem habe ich jeden Tag meines Lebens Einfluss auf all das und die ständige Chance, die Zustände, die sich nicht richtig anfühlen zu ändern.
Uns scheint nicht klar zu sein, dass, nur wenn Jeder Einzelne von uns sein Bestes gibt um sich zu erfüllen, wir einen Weg gehen können, der unser Leben lebenswert macht.
Da wir soziale Wesen sind, achten wir natürlich auch auf unsere Mitmenschen, doch die zufriedene Erfüllung können wir uns nur selbst ermöglichen.
„Vor Corinna